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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition)
Autoren: Andreas Winkelmann
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Wut, wie sie sie nie zuvor in ihrem Leben gespürt hatte.
    Das, und Frank Engler.
    Gemeinsam stolperten sie durch den tropfenden, finsteren Wald, kletterten über umgestürzte Baumstämme hinweg, wichen moosbewachsenen Stümpfen aus, immer auf den hellen Streifen zu, der zwischen den Fichten hindurchschimmerte.
    Immer wieder zuckten Blitze und warfen für den Bruchteil einer Sekunde ihr fahles Licht zwischen die Bäume. Aus allen Richtungen sprangen dann Schatten auf sie zu, und ein ums andere Mal zielte Manuela mit der Waffe auf diese Gespenster, die alle aussahen wie Peter Nielsen. Sie würde niemals sein Gesicht vergessen, kurz bevor er versucht hatte, sie zu ertränken. Keine Gefühlsregung war darin zu erkennen gewesen, nicht einmal Hass oder Wut, nur kalte Berechnung. In diesem Moment hatte Manuela gewusst, dass Nielsen nicht zum ersten Mal tötete.
    Sie stolperte, wurde von Frank gehalten, lief zwei weitere Schritte, fühlte sich aber immer schwächer. Frank nahm ihren linken Arm, legte ihn sich über die Schulter und trug sie mehr, als dass sie selbst lief.
    Sie kamen nur langsam voran, und als Manuela schon glaubte, es doch nicht zu schaffen, endete der Wald, und sie fanden sich unvermittelt an einem hohen grasbewachsenen Ufer wieder.
    Manuelas Knie gaben nach. Frank ließ sie zu Boden sinken, stützte sich selbst auf seine Oberschenkel ab und atmete keuchend.
    Sie schauten auf den anderen, langgezogenen Teil des Gorreg und auf das große schwarze Haus, das über dem Wasser zu schweben schien. Es war unheimlich und unwirklich. Eine hochaufgeschossene Gestalt stand draußen auf dem See am Ende des Stegs.
    Stiffler.
    Breitbeinig stand er dort, die Knie leicht angewinkelt, beide Arme nach vorn gestreckt. Vom Wetter umtost schlotterte seine Kleidung um seinen dürren Körper.
    «Da», sagte Manuela zu Frank.
    Erst als das Mündungsfeuer aufblitzte, begriffen beide, dass Stiffler auf das kleine Boot schoss, das die Wellen vor dem Steg hin und her warfen.
    «Nein!», schrie Manuela, doch ebenso wie der Knall des Schusses ging ihr Schrei in einem mächtigen Donnerschlag unter.
    Sie legte auf Stiffler an, begriff, dass sie ihn auf diese Entfernung und in ihrem Zustand niemals treffen würde, gab aber trotzdem schnell hintereinander zwei Schüsse ab.
    Wie erwartet hatten sie keine Wirkung.
    «Lauf!», schrie sie Frank an und reichte ihm die P2000.
    Der sah erst die Pistole, dann sie an, griff im nächsten Moment aber zu und spurtete los.
    Manuela sah ihm nach. Einen Zivilisten dorthin zu schicken war nicht richtig, aber es war die einzige Möglichkeit, um Lavinia Wolff vielleicht doch noch zu retten. Sie selbst war einfach zu schwach und würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen.
    Bevor Frank das Haus erreichte, meinte Manuela, unter dem Steg eine Bewegung zu sehen. Es war dunkel dort, irgendwas Helles hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.
    Sie sah genauer hin.
    Tatsächlich: Eine Gestalt entstieg dem Wasser und kletterte wie eine bleiche Spinne an dem Traggerüst des Stegs empor. Mit einer fließenden Bewegung überwand sie den Rand, blieb einen Moment hocken und erhob sich dann. Aufrecht, die Arme ausgebreitet, stand dieses unheimliche, dem Wasser entstiegene Wesen keine zwei Meter hinter Stiffler. Es war nackt. Nur deshalb hatte Manuela es unter dem Steg überhaupt entdeckt. Vor dem nachtschwarzen Himmel sah es wie eine geisterhafte Erscheinund aus.
    Der Wassermann.
    Manuela vergaß zu atmen.
    War das überhaupt ein Mensch, oder etwas völlig anderes?
    Dann schoss die Gestalt vor, riss Stiffler von den Füßen und verschwand mit ihm im See.

41
    Wasser. Überall. Kalt, dunkel, entsetzlich.
    In Panik strampelte Eric mit den Beinen, schlug wild mit den Armen um sich, verlor die Waffe, schaffte es aber, sich nach oben zu kämpfen. Er durchbrach die Wasseroberfläche, riss den Mund auf und atmete gierig ein.
    Dann drehte er sich im Kreis, blickte sich hektisch um, suchte nach einem verräterischen Schatten im Wasser, konnte nichts entdecken. Aber er war nicht allein, das spürte er. Er war unter ihm, neben ihm, umkreiste ihn wie ein hungriger Hai auf der Jagd. Eric spürte ein Kribbeln in den Beinen, so als würden sie ihm jeden Moment abgerissen.
    Er musste raus aus dem Wasser, sofort. Dies war das Element des Wassermanns, hier war er ihm hoffnungslos unterlegen.
    Der Steg befand sich keine fünf Meter entfernt. Eric fixierte die vier Stufen aus Holz an, die hinauf in die Sicherheit führten, sah sich selbst bereits
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