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Wasser

Wasser

Titel: Wasser
Autoren: Terje Tvedt
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befindlichen 940 Gletschern gebildet wird, zwischen den Jahren 1973 und 1999 um 18 Prozent verringert hat. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Gletscher vermindern, ist sechs Mal höher als der durchschnittliche jährliche Rückgang zwischen 1850 und 1973. Alle Gletscher unterhalb einer Höhe von 2000 Metern werden aller Wahrscheinlichkeit nach bis zum Jahr 2070 verschwunden sein. Einige Forscher, zum Beispiel RolandPsenner, behaupten sogar, dass schon im Jahr 2037 keine Gletscher mehr vorhanden sein werden, wenn sie im gegenwärtigen Tempo abschmelzen, mit Ausnahme einiger weniger, die in einer Höhe von über 4000 Metern liegen. 10 Möglicherweise sind diese katastrophal anmutenden Voraussagen über die Alpen ja völlig falsch. Doch die Angst vor einem Abschmelzen des Eises und vor vermehrten Niederschlägen hat in Zentraleuropa schon jetzt große politische Bedeutung erlangt. Die niederländische Regierung rechnet damit, dass das Wasser in den Flüssen im Laufe weniger Jahrzehnte um mehrere Dezimeter ansteigen wird, ein Szenario, das außergewöhnliche Maßnahmen erfordert, da 60 Prozent des Landes durchschnittlich 3,5 Meter unter dem Meeresspiegel liegen.
    In den Niederlanden entdeckt man fast überall irgendetwas von Menschen Erschaffenes, das diese künstliche, verletzliche Balance zwischen Wasser und Land erkennbar macht. Amsterdams Reiz besteht nicht nur aus seiner intimen Atmosphäre mit den Giebelhäusern, Cafés und freundlichen Menschen, sondern auch aus dem verzweigten Netzwerk von Kanälen, das zwischen und unter den engen Straßen verläuft. Ungefähr 1300 Brücken und Viadukte halten die circa neunzig »Inseln« der Stadt zusammen. An Deck eines der vielen Kanalschiffe, welche die Touristen in gemächlichem Tempo durch die Stadt und vorbei an den großen Handelshäusern fahren, die Amsterdams Blütezeit im 17. Jahrhundert repräsentieren, wird der Zusammenhang zwischen der geografischen Beschaffenheit der Stadt und ihrer ökonomischen Geschichte deutlich. Amsterdam wurde vor 800 Jahren gegründet, indem die Bevölkerung einfach einen Damm quer in den Fluss Amstel baute, um das Wasser aus dem Ijsselmeer abzuhalten – daher der Name Amsterdam. Noch viele andere Städte wurden später auf dieselbe Weise gegründet und tragen heute Namen wie Rotterdam, Monnikendam, Edam oder Zaandam.
    Diese sensible Balance zwischen Land und Wasser, die zwar immer wieder von Konflikten geprägt ist, jedoch von Wasserbauingenieuren aufrechterhalten wird, formt in höchstem Maße dieZukunft der Stadt und des Landes. Viele halten die Haschcafés und Kneipen in Amsterdam für etwas typisch Niederländisches, doch wenn man finden will, was die Niederlande von anderen europäischen Ländern unterscheidet, muss man in diesem äußerst dicht bevölkerten Land Europas an andere Orte fahren. Vor 500 Jahren sagte der Philosoph René Descartes, dass Gott die Welt erschaffen habe, der Mensch aber die Niederlande. Eine präzise Beobachtung, denn das Land ist, weitaus mehr als jedes andere, ein seit vielen Jahrhunderten andauerndes Ingenieurprojekt, ermöglicht durch Organisation, Kooperation und starken Willen. 11 Das Bemühen der Niederländer, ihr Land aus dem Griff des Wassers zu befreien, ist historisch einzigartig. Für mich gibt es drei Orte, die die Besonderheit der Niederlande markieren und die lange, von der Vergangenheit in die Zukunft des Landes weisende Verbindungslinie verdeutlichen.
    Da ist zunächst die Region Kinderdijk direkt neben Alblasserwaard oder »dem Land am Uferrand«. Auf dem Weg dorthin ist es unmöglich, nicht an die Besonderheit der Niederlande erinnert zu werden: Es gibt 27 Straßenschilder, die anzeigen, dass man sich unterhalb des Meeresspiegels befindet. Die Region ist schon immer vom Wasser bedroht gewesen, die berühmteste Flutkatastrophe ereignete sich hier am 18./19. Dezember 1421. 60 Dörfer standen an diesen Tagen unter Wasser. Damals soll eine Katze ein Kind in einer Wiege gerettet haben, während das Wasser sie umtoste. Der Deich, auf dem sie schließlich strandeten, erhielt den Namen »Kinderdeich«. Noch immer gibt es ungefähr tausend Mühlen in den Niederlanden, aber an keinem anderen Ort sind so viele auf so engem Raum versammelt wie hier. 19 braun angestrichene, majestätische Windmühlen in Reih und Glied am Horizont, arrangiert wie ein durchkomponiertes Motiv auf einem von Rembrandt gemalten Bild. Wie bei ihrer Errichtung in den 1740er Jahren spiegeln sie sich auch heute noch in den
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