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Washington Square

Washington Square

Titel: Washington Square
Autoren: Henry James
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Mrs. Penniman, ein, bei ihm zu wohnen. Die Fräulein Sloper waren indes zwei an der Zahl und beide hatten früh geheiratet. Die jüngere, Mrs. Almond mit Namen, war die Frau eines wohlhabenden Kaufmanns und die Mutter einer blühenden Familie. Sie wirkte natürlich selbst blühend und war eine gutaussehende, sorglose, verständige Frau und die Lieblingsschwester ihres klugen Bruders, der in bezug auf Frauen, selbst wenn sie mit ihm nahe verwandt waren, ein Mann ausgeprägter Vorlieben war. Er zog Mrs. Almond seiner Schwester Lavinia vor, die einen armen Geistlichen geheiratet hatte, der von kränklicher Konstitution und blumiger Beredsamkeit war und sie schließlich im Alter von dreiunddreißig Jahren als Witwe – ohne Kinder, ohne Vermögen – zurückließ, mit nichts als der Erinnerung an Mr. Pennimans blumenreiche Redeweise, ein gewisses vages Aroma, das ihren eigenen Gesprächsstil umgab. Nichtsdestoweniger hatte Dr. Sloper ihr eine Heimstätte unter seinem eigenen Dach angeboten, die Lavinia mit der Bereitwilligkeit einer Frau annahm, die die zehn Jahre ihres Ehelebens in der Kleinstadt Poughkeepsie zugebracht hatte. Der Doktor hatte Mrs. Penniman nicht vorgeschlagen zu kommen, um ständig bei ihm zu wohnen, sondern vielmehr, daß ihr sein Haus als Aufenthaltsort zur Verfügung stehe, während sie sich nach einer unmöblierten Wohnung umsehe. Es ist fraglich, ob |14| Mrs. Penniman jemals die Suche nach einer Wohnung ins Auge faßte, aber außer Frage steht, daß sie niemals eine fand. Sie nistete sich bei ihrem Bruder ein und wich nicht mehr, und als Catherine zwanzig Jahre zählte, war Tante Lavinia nach wie vor eine der eindrucksstärksten Gestalten ihrer unmittelbaren Umgebung. Mrs. Pennimans eigene Erklärung der Angelegenheit war, daß sie geblieben war, um die Erziehung ihrer Nichte in die Hand zu nehmen. Sie hatte diese Erklärung zumindest jedermann gegeben außer dem Doktor, der nie nach einer Erklärung fragte, über die er sich Tag für Tag seine Gedanken machen konnte. Obwohl Mrs. Penniman eine Menge jener gewissen Art von aufgesetzter Selbstsicherheit besaß, schreckte sie doch, aus unerfindlichen Gründen, davor zurück, sich ihrem Bruder als Quelle von Erziehungskunst zu präsentieren. Sie war nicht sonderlich gewitzt, aber immerhin genug, um sich davon abhalten zu lassen, diesen Fehler zu begehen, und ihr Bruder war seinerseits gewitzt genug, um sie, in ihrer Lage, dafür zu entschuldigen, daß sie ihm einen beträchtlichen Teil der Lebenszeit auf der Tasche lag. Er billigte daher stillschweigend den Plan, den Mrs. Penniman ihrerseits stillschweigend entworfen hatte: wie wichtig es sei, daß das arme mutterlose Mädchen eine vorzügliche Frau um sich habe. Seine Billigung konnte nur stillschweigend erfolgen, da er nie von seiner Schwester als intellektueller Leuchte hingerissen war. Außer als er sich in Catherine Harrington verliebte, war er in der Tat nie von weiblichen Eigenschaften, welcher Art auch immer, hingerissen. Und obwohl er bis zu einem gewissen Grade das war, was man einen Arzt für Damen nennt, war doch seine persönliche Meinung vom komplizierteren Geschlecht nicht gerade übertrieben hoch. Er sah dessen Kompliziertheit |15| mehr als eigenartig an denn als erbaulich, und er hatte eine Auffassung vom Glanz der Vernunft, die, im ganzen gesehen, nur dürftig befriedigt wurde durch das, was er an seinen weiblichen Patienten wahrnahm. Seine Gattin war eine vernünftige Frau gewesen, aber sie bildete eine leuchtende Ausnahme. Von den verschiedenen Dingen, derer er sicher war, stellte dies wohl das hauptsächlichste dar. Eine solche Überzeugung trug natürlich wenig dazu bei, seine Witwerschaft zu lindern oder abzukürzen, und bestenfalls setzte es seiner Anerkennung von Catherines Möglichkeiten und Mrs. Pennimans Dienstleistungen eine Grenze. Nichtsdestoweniger nahm er nach Ablauf von sechs Monaten die ständige Anwesenheit seiner Schwester als vollendete Tatsache hin, und als Catherine älter wurde, erkannte er, daß es in der Tat gute Gründe dafür gab, weshalb sie eine Gesellschafterin ihres eigenen unvollkommenen Geschlechts bekommen hatte. Er war ausnehmend korrekt gegenüber Lavinia, gewissenhaft, formell korrekt, und sie hatte ihn niemals in Wut gesehen außer einmal in ihrem Leben, als ihm bei einer theologischen Diskussion mit ihrem einstigen Mann das Temperament durchgegangen war. Mit ihr diskutierte er nie über Theologie noch überhaupt über irgend etwas. Er begnügte
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