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Was sie nicht weiss

Was sie nicht weiss

Titel: Was sie nicht weiss
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Lois und Fred hätten sie aufs Revier mitnehmen können, aber da sie um die Ecke wohnt, bot es sich an, das Gespräch in vertrauter Umgebung zu führen.
    Die junge Frau steht eindeutig unter Schock, dennoch wirkt sie merkwürdig gefasst.
    »Ich versteh das einfach nicht …« Sie kaut wieder an ihren Nägeln herum. »Warum sollte jemand David umbrin gen und ihn dann einfach liegen lassen, samt Brieftasche und allem?«
    Sie haben Cynthia nicht gesagt, in welchem Zustand ihr Freund aufgefunden wurde, weniger um ihre Gefühle zu schonen, sondern weil Informationen, die nur der Täter haben kann, nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen.
    »Das fragen wir uns auch«, erwidert Lois. »Hatte Ihr Freund in letzter Zeit Streit mit jemandem?«
    Cynthia streicht sich den langen, schräg geschnittenen Pony aus der Stirn. »Nicht dass ich wüsste. Jedenfalls hat er nichts erwähnt.«
    »Was machte er beruflich?«, fragt Fred.
    »Er ist … war Lehrer an einer Grundschule, hier im Vier tel. Hat eine zweite Klasse unterrichtet. Soweit ich weiß, gab es da nie Probleme. David sucht nie Streit, und weil er immer ruhig und gelassen bleibt, ist er so ein guter Lehrer. Er lässt sich nicht leicht provozieren.«
    »Vielleicht hat er ja jemanden provoziert«, sagt Lois.
    »Möglich …« Cynthia zuckt die Schultern und klaubt ein paar Lacksplitter von ihrem Daumennagel.
    »Aber Sie glauben das nicht, oder?«, fragt Fred.
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein, das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Der Täter muss ein Irrer sein. Oder jemand, der ihn ausrauben wollte und dabei gestört wurde.«
    »Eine ganz andere Frage: Hat Ihr Freund sich für Kunst interessiert?«
    Verdutzt sieht Cynthia Fred an. »Eigentlich nicht. Warum fragen Sie?«
    »Weil er einen Prospekt von einer Kunstausstellung in der Hosentasche hatte. Moment mal …« Fred nimmt das Smartphone zur Hand und ruft seine Notizen auf. »Gleich hab ich’s … es geht um die Ausstellung einer Malerin namens Maaike Scholten, die derzeit im Kunstverein läuft.«
    »Ja, ich erinnere mich«, sagt Cynthia. »Der Flyer lag neulich im Briefkasten.«
    »Könnte es sein, dass Ihr Freund ein Bild kaufen wollte?«, forscht Fred weiter.
    »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber Julian, Davids ältester Freund, interessiert sich sehr für Kunst. Vielleicht hat er das Ding für ihn aufgehoben.«
    In dem Moment meldet Lois’ Handy den Eingang einer SMS . Sie liest sie rasch und sagt dann: »Es ist so weit: Das Opfer kann identifiziert werden.«
    In der Rechtsmedizin des Klinikums Alkmaar wirft Cynthia einen kurzen Blick auf den Toten, dann nickt sie schweigend und wendet sich zum Ausgang. Es ist spät, ein Kollege wird sie nach Hause bringen.
    »Ziemlich unterkühlt, die Frau«, sagt Lois zu Fred, als sie gegangen ist. »Bisher hat sie noch keine einzige Träne vergossen.«
    »Manche Leute weinen nicht gern in der Öffentlichkeit.«
    »Wenn mein Freund umgebracht worden wäre, würde ich es nicht schaffen, damit zu warten, bis ich allein bin.«
    »Vielleicht sagt es ja etwas über ihre Beziehung aus«, gibt Fred zu. »Du hast recht, sie war schon außergewöhnlich beherrscht. Wir sollten uns mal umhören, wie es mit den beiden stand. Dann gehen wir wohl jetzt, oder willst du bei der Obduktion dabei sein?«
    Er grinst, und Lois versetzt ihm einen Rippenstoß. Sie hat mehrere Leichenschauen miterlebt und war jedes Mal kurz vor einer Ohnmacht. Wenn so mit dem Tod konfrontiert zu werden und in aller abschreckenden Deutlichkeit zu sehen, was sich unter Schädeldecke und Haut befindet, die Gründe gewesen wären, warum sie bei der Kripo arbeiten wollte, dann hätte sie besser Medizin studiert. Ihre Aufgabe ist die Verbrechensbekämpfung und der Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten. Dafür braucht sie nicht jedes Mal dabei zu sein, wenn bei einem Opfer der Brustraum geöffnet und der Schädel aufgesägt wird.
    Anfangs wurde sie wegen ihrer Empfindlichkeit gehänselt, doch nachdem sie ein paar Kollegen dabei fotografiert hatte, wie sie sich nach einer Obduktion übergaben, und die Bilder ans Schwarze Brett gepinnt hatte, war Schluss gewesen mit den Frotzeleien.
    Noch vor Mitternacht wird im Präsidium in der James Watt straat eine Sonderkommission zusammengestellt. Insgesamt dreißig Kripo-Leute aus Alkmaar und von anderen Revieren in Noord-Holland treten zu einer ersten Besprechung zusammen.
    »Das Opfer heißt David Hoogland«, beginnt Ramon, der die Kommission leitet. »Hoogland war
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