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Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los
Autoren: Allan Guggenbuehl
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arbeiten. Der Mann musste wegen eines Raubüberfalls auf eine Bank in Gamla Stan, Stockholm, eine mehrjährige Gefängnisstrafe absitzen. Er brauche eine Therapie, meinte er. Die Gefängnisleitung ging auf sein Ansinnen ein. Der Mann war zudem sicher, dass nur ein bestimmter Psychotherapeut ihm weiterhelfen könne. Es handelte sich um eine bekannte Persönlichkeit, die auch im Fernsehen aufgetreten war. Die Therapie wurde bewilligt. Während der Sitzungen fand der Gefangene heraus, dass er als Kind vergewaltigt worden war. In intensiven psychotherapeutischen Sitzungen wurden diese traumatisierenden Ursachen aufgedeckt und durchgearbeitet. Nach einem Jahr hatte er sich geläutert, die Ursachen seines asozialen Verhaltens waren nun klar und er machte den Eindruck, ein Anderer geworden zu sein. Wegen dieser positiven Entwicklung wurde er vorzeitig entlassen. Er selber willigte nur ein, wenn er die Therapie draußen fortführen könne.
    Eine Woche später gab es in Malmö einen Banküberfall, der seine Handschrift trug. Aufgrund von Ausschreibungen wurde er nach drei Wochen gefasst und landete wieder im Gefängnis. Man hörte nichts von ihm. Nach zwei Jahren meldete er sich bei einem bekannten Radioprediger. Seine Predigten hätten einen tiefen Eindruck auf ihn hinterlassen, gestand er. Er wolle mehr hören und fragte, ob man nicht im Gefängnis einen Gottesdienst abhalten könne. Der Prediger willigte ein und es wurde eine eindrückliche Veranstaltung in der Gefängniskapelle durchgeführt. Unser Bankräuber war tief beeindruckt und verlangte selber das Wort: er habe Jesus entdeckt, verkündete er, und er wolle die frohe Botschaft des Evangeliums in die Welt hinaustragen. Er wurde zu einem bekannten Gefangenenprediger. Das Fernsehen interessierte sich für ihn und er sprach im Radio. Sein Erfolg war überwältigend undseine Worte überzeugend. Aufgrund einer besonderen Regelung wurde ihm eine Predigt außerhalb der Gefängnismauer erlaubt. Er verschwand.
    Einige Zeit später geschah ein Banküberfall, der typisch für ihn war. Dieses Mal hatte er eine Schusswaffe eingesetzt. Man war entsetzt. Er war jedoch nicht auffindbar. Nach ein paar Monaten spürte ein Reporter ihn auf einer Karibik-Insel auf. Er lebte dort in Saus und Braus, vergnügte sich mit Frauen und ordinären Strandanlässen. Das Predigen hatte er vergessen.
    Um uns vom Auftritt und dem Benehmen eines Jugendlichen nicht täuschen zu lassen, konfrontieren wir ihn mit den Vorfällen und drücken aus, dass wir erschüttert sind und verhindern wollen, dass so etwas wieder passiert. Wir teilen den Jugendlichen mit, dass sie mit uns arbeiten können. Wir machen ihnen jedoch auch klar, dass wir nicht um sie buhlen oder um Mitarbeit bitten. Wir nehmen nur jene Jugendlichen, von denen wir überzeugt sind, dass sie wirklich mitmachen und bereit sind, an sich zu arbeiten. Nicht jeder darf mitmachen. Sie müssen uns überzeugen, dass es sich lohnt mit ihnen zu arbeiten.
    Die Jungs reagieren unterschiedlich. Viele geben sich lammfromm und betonen, dass sie Gewalt ablehnen. Sie meinen, dass das Ganze ein Missverständnis sei und sie Opfer einer Intrige oder falschen Beschuldigungen seien. Andere Jugendliche geben sich renitent und störrisch. Wie obiger Junge wollen sie nichts mit uns zu tun haben. Sie verharren in einer arroganten, distanzierten Haltung. Wieder andere sind verwirrt. Fast alle behaupten jedoch, dass sie Gewalt ablehnen. Ihr Verhalten spricht eine andere Sprache. Es fehlt ihnen der Bezug zu sich selber. Wenn wir sie beim Erstgespräch mit ihren Taten konfrontierten, lenken sie ab, können sich nicht mehr gut erinnern oder es kommen die üblichen Ausreden. »Natürlich bin ich für das Gespräch! Ich habe den anderen zweimal aufgefordert, sich zu entschuldigen, doch er wollte nicht hören«, rechtfertigte sich ein junger Mann bei mir. Auch eindeutige Täter sind oft überzeugt, korrekt gehandelt zu haben. Sie schützen sich, indem sie sich auf die Werte berufen, die auch uns wichtig sind. Sie hätten sich gegen einen Nazi wehren müssen, kämpften gegen Rassismus oder hätten lediglich eine Frau beschützen wollen. Während der ersten Sitzung interessieren uns solche Erklärungen nicht. Entscheidend ist ihre Einsicht, dass sie ein Problem haben, an dem gearbeitet werden muss.
    Wenn sich ein Jugendlicher abwehrend oder zynisch verhält, dann ändern wir die Taktik. Wir ignorieren ihn. Wir lassen ihn mit seinem coolen oder zynischen Verhalten ins Leere
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