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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt
Autoren: Diane Janes
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kann.«
    Meine sonnenverbrannte Haut reagierte auf die kühlere Luft. Gänsehaut überzog meine bloßen Arme. »Dauert es bei euch Jungs noch lange?«, rief ich.
    »Wir tun unser Bestes«, erwiderte Simon kurz angebunden.
    Ein einzelner strahlender Stern war über dem Horizont aufgegangen.
    »Ich finde den Mond faszinierend, du auch?«, fragte Trudie. »Hast du bemerkt, dass es, als wir im Auto fuhren, so aussah, als würde er uns folgen?«
    Ich bastelte noch an einer Antwort, als sie leise zu singen begann.
    »Oh, I’m being followed by a moonshadow, moonshadow, moonshadow …«

4
    Ich bin früher schon einige Male dort gewesen, aber das macht die Sache nicht leichter. Ich erkenne das mulmige Gefühl von aufsteigender Panik wieder, das sich westlich von Mortimer’s Cross einstellt, und weiß, dass ich in ein, zwei Meilen die Hände abwechselnd vom Lenkrad nehmen werde, erst die eine, dann die andere, um sie am Stoff meiner Jeans abzuwischen. Ich fahre in völliger Stille, weil Radiosender durchaus das falsche Lied im falschen Moment spielen könnten. Ich unterdrücke auch jeglichen Drang zu singen oder zu summen, aus Angst, mein Unterbewusstsein könnte mich ebenso hintergehen. Stattdessen konzentriere ich mich auf die visuellen Eindrücke. Die Bäume haben ihr volles Laub noch nicht entwickelt, und viele am Wegesrand liegende Felder sind noch öde und kahl. Schilder weisen den Weg zu Dörfern, an deren Namen ich mich vage entsinne: Dörfer voller alter Kirchen und Cottages, die einen altertümlichen Charme verströmen.
    Wie gesagt, ich bin schon früher hier vorbeigefahren, aber bis heute habe ich niemals angehalten. Heute Nachmittag nähere ich mich von Süden und biege auf den neuen Parkplatz am Rand von Bettis Wood ein, der ungefähr eine Viertelmeile vom Haus entfernt liegt. Zu meiner
Beruhigung stelle ich fest, dass er wie jeder andere gewöhnliche Waldparkplatz aussieht. Es gibt eine bunte Schautafel, auf der beschrieben wird, was die Besucher mit etwas Glück erwartet  –  vermutlich von einem extrem optimistischen Rathausangestellten angefertigt, da die Aufzählung auch Rotwild, Füchse und seltene Orchideen beinhaltet. Ein weiteres Schild fordert die Spaziergänger auf, ihren Abfall wieder mit nach Hause zu nehmen, da andernfalls Geldstrafen drohen. Und ja, es gibt natürlich Lehrpfade. Sie sind mit Farben gekennzeichnet, um es den lieben Kleinen leichter zu machen. Nicht ein Wort über einen Mord oder die örtlichen Geistergeschichten  – das wäre wahrscheinlich zu geschmacklos. Ich stelle fest, dass es nicht so schlimm ist wie befürchtet. Ich zwinge mich, bis zu einer nahen Lichtung zu gehen, auf der sich drei leere Picknicktische befinden. Todesmutig setze ich mich an einen von ihnen und rechne beinahe damit, dass irgendetwas passiert  –  was natürlich nicht der Fall ist.
    Der Wald riecht anders. Frühlingsfeucht mit einer Spur von Bärlauch  –  nicht die staubige spätsommerliche Wärme, die wir erlebt hatten; nicht die schwülen Nachmittage, die abendliche Gewitter verhießen. Auch die Erde unter unseren Füßen war anders  –  das unruhige Geraschel des trockenen Vorjahreslaubs, die dürren Zweige, die unter unseren Füßen knackten, brüchig wie unsere Nerven in jenen Minuten, die hin zu diesem niemals vergessenen Schrei führten. Irgendwo hinter mir flattert ein Vogel auf, das jähe Geräusch lässt mich mit einem erstickten Laut aufspringen. Zeit, weiterzugehen.
    Ein Wagen biegt auf den Parkplatz ein, und zwei Frauen steigen aus. Sie scheinen ungefähr zehn Jahre jünger als ich zu sein, sind vernünftig in Jeans und Thermowesten
gekleidet und wollen hier offensichtlich mit ihren Hunden spazieren gehen. Sie blicken in meine Richtung, fragen sich zweifellos, was diese seltsame Frau da treibt, die ganz allein im April an einem Picknicktisch sitzt. Ich wiederum frage mich, ob sie aus Sicherheitsgründen im Tandem unterwegs sind. Wälder sind gefährliche Orte, wenn man allein ist. Die Hunde springen aus dem Wagen und dürfen frei herumlaufen, ihre Leinen baumeln an den Händen ihrer Frauchen. Die Hunde schlagen den Weg in einen Pfad ein, der sie vom Picknickgelände wegführt, ihre Halterinnen folgen ihnen. Eine der beiden sieht sich mehrmals nach mir um, ehe sie außer Sicht geraten.
    Ich beschließe, meinen Wagen auf dem Parkplatz stehen zu lassen, und gehe die Straße zum Haus hoch. Soweit ich mich erinnere, kann man dort nirgendwo parken, außer direkt davor, und das
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