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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will
Autoren: Sofie Cramer
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Weg. Ich werde hier noch verrückt, wenn ich nichts tun kann.» Ihre Stimme klang ziemlich niedergeschlagen, und die ohnmächtige Sorge war ihr deutlich anzusehen.
    Lisa zögerte. Sie war heute mit dem Bus gekommen und konnte Renate also nicht nach Hause bringen. Doch sie vertraute auf Renates Verständnis, dass sie keine Sekunde mehr von Eriks Seite weichen wollte.
    «Ich bin ja da», versuchte Lisa, sie zu beruhigen. «Und falls sich auch nur das Geringste tut, rufe ich dich sofort an.»
    Ohne jede Berührungsängste schloss sie Renate zum Abschied ganz fest in die Arme und empfand es auch nicht als unangenehm, als diese sich gar nicht mehr lösen wollte. Dann half Lisa ihr in die Jacke.
    Bevor sie sich zum Gehen wendete, trat Renate noch einen Schritt näher an Erik heran.
    «Ach, mein Sohn, wenn wir dir doch nur helfen könnten», sagte sie leise und schnäuzte sich kurz. Dann ergänzte sie, so als würde sie sich selbst Mut zusprechen: «Meine Freundin Ursula sendet ihm dieses … dieses Reiki. Sie sagt, das bewirkt Wunder.»
    Lisa erwiderte lächelnd: «Ja, wir dürfen nicht aufhören, daran zu glauben. Er weiß bestimmt, dass wir in Gedanken immer bei ihm sind.»
    Auch Renate bemühte sich tapfer um ein Lächeln, obwohl ihre Augen vor Trauer wässrig glänzten.
    Sie verabschiedeten sich schließlich bis zum nächsten Telefonat, dann begleitete Lisa ihre Schwiegermutter noch bis zur Tür.
    Auch wenn die Nähe zu ihr mittlerweile eine große Stütze war und sie in diesen schweren Tagen einander besonders brauchten, atmete Lisa erleichtert auf, als Renate auf den Flur trat. Endlich war sie mit Erik allein.
    Als sie die Tür hinter ihrer Schwiegermutter schloss, fiel Lisas Blick in den Spiegel am Waschbecken vor dem anderen Bett. Einen Moment lang betrachtete sie ihr sorgenvolles Gesicht. Es ließ erahnen, wie sehr die Hilflosigkeit aufgrund von Eriks Zustand sie umtrieb. Aber gleichzeitig sah sie selbstbewusster, ja irgendwie stärker aus als noch in den Tagen zuvor. Vielleicht weil sie inzwischen auf alles gefasst war, was noch passieren konnte?
    Mit Herzklopfen ging Lisa zurück an Eriks Bett. Aus ihrer Tasche holte sie den weißen Umschlag hervor, in dem all ihre noch ungesagten Worte verborgen waren. Ohne jedes Zögern öffnete sie den Umschlag und faltete die Seiten auseinander. Sie setzte sich vorsichtig an Eriks Bettkante, betrachtete ihn liebevoll und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. Dann räusperte sie sich und begann, ihm Zeile für Zeile vorzulesen.
     
    Mein geliebter Erik,
     
    ich weiß nicht, ob dich meine Worte jemals erreichen werden. Aber ich will nicht aufhören, zu hoffen, sondern alles mir Mögliche dafür tun, damit wir uns wieder nah sind. Denn nur, wenn wir uns wirklich nah sind, entsteht wahres Verständnis für den anderen.
    Erinnerst du dich noch an unsere erste Zeit? Wie sehr wir uns immer aufeinander gefreut haben, wenn wir uns ein, zwei Tage nicht gesehen hatten? Und wie wir manchmal schon in der Tür übereinander hergefallen sind?
    Ich habe es geliebt, dass wir stets den Augenblick genossen haben. Dass ich bei dir so sein durfte, wie ich bin. Dass ich alles sagen konnte, ohne dich zu verschrecken, und dass ich mich immer bewundert, begehrt und geliebt gefühlt habe. Schon damals habe ich mir die Frage gestellt, was schöner ist: das Gefühl, geliebt zu werden, oder das Gefühl, jemanden zu lieben, der so ist wie du.
    Dass es dich überhaupt gibt, empfinde ich als Geschenk. Dass wir uns getroffen und lieben gelernt haben, als Wunder.
    Aber das, was mir immer so viel Kraft gegeben hat, war das Gefühl, eine Einheit zu sein mit dir. Eine Einheit, deren Energie in ein und dieselbe Richtung fließt. Ich kann es nur schwer beschreiben. Ich meine das Gefühl, neben dir ins gemeinsame Glück zu gehen – ohne Zweifel, Zögern oder Zorn. Einfach getragen von der Gewissheit, dass wir zusammengehören und dasselbe Ziel haben.
    Doch wie kostbar diese Gewissheit und diese Klarheit sind, ist mir erst jetzt bewusst geworden. Jetzt, da ich drohe, dich zu verlieren. Auch haben mir Lenny, Knuth und sogar deine Mutter die Augen geöffnet. Ich bereue aus tiefstem Herzen, dass ich an dir und unserer Liebe gezweifelt habe. Denn sie ist das Schönste, was ich jemals hatte.
    Ich kann nicht einmal sagen, ob und, wenn ja, an welchem Punkt sich unser Weg geteilt hat. Aber es gab diesen Punkt, ab dem es sich nicht mehr so angefühlt hat, als hätten wir dasselbe Ziel.
    Dabei war am Anfang die
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