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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will
Autoren: Sofie Cramer
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aufzugeben. Sie bildete sich ein, wenn sie jetzt resignierte, würde Erik es noch schwerer haben, wieder ins Leben zurückzufinden. Vielleicht gab es irgendeine Kraft, die sich von ihrem zu seinem Herzen einen Weg bahnen konnte, wenn sie nur stark genug daran glaubte, dass alles wieder gut werden würde. Also versuchte sie, sich auf all das Schöne zu konzentrieren, was ihre gemeinsame Zeit ausgemacht hatte und was sie in naher Zukunft hoffentlich noch zusammen erleben würden.
    Ob wir jemals wieder selbst eine Hochzeit besuchen werden?, fragte sich Lisa, als sie Betty und Jutta fröhlich feiernd auf einem der Fotos betrachtete.
    Obwohl Betty damals schon schwanger gewesen war, hatte sie noch nichts verraten. Und nun war sie längst Mutter und selbst verheiratet.
    Lisa erinnerte sich genau, wie falsch sie und Erik sich auf Bettys Feier mit Trauung und Taufe im Herbst gefühlt hatten, weil alles wie befürchtet eine Dimension zu kitschig und zu pompös geraten war. Und sie erinnerte sich auch noch sehr genau, wie selig sie spätnachts Arm in Arm im Bett gelegen und Scherze über diese zweifelhafte Veranstaltung gemacht hatten. Es war ein schönes Gefühl gewesen, dass sie beide auch nach einem Jahr noch der Meinung waren, bei ihrer eigenen Hochzeit alles richtig gemacht zu haben.
    Aber was war dann geschehen? Waren sie bloß vom Kurs abgekommen, der sich bis dahin doch immer so richtig angefühlt hatte, weil er einfach alternativlos zu sein schien?
    Nachdenklich lehnte sich Lisa zurück. Noch nie hatte sich ihr die simple Wahrheit so deutlich und unmittelbar aufgedrängt wie in diesem Moment: Erik und sie hatten schlicht aufgehört, miteinander zu reden. Dabei gab es doch so viele unausgesprochene Gedanken, die sich in den vergangenen Monaten heimlich und still wie ein immer dichter werdender Nebel um sie gelegt hatten und ihnen die klare Sicht verwehrten. Sie waren einfach auseinandergedriftet, obwohl wenige Worte vielleicht schon gereicht hätten, wieder auf gemeinsamen Kurs zu kommen und ihre Ehe zurück ins Sonnenlicht zu manövrieren.
    Lisa fragte sich, warum sie Erik zum Beispiel nie deutlich und direkt gesagt hatte, dass sie sich wünschte, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Sie konnte sich an keine Begebenheit erinnern, bei der sie ihn darum gebeten hatte, ihr zuliebe mal auf sein Training zu verzichten.
    Und warum war sie nicht in der Lage gewesen, offen und ehrlich über ihre Gefühle zu sprechen? Über ihre Sehnsucht nach einer Familie, über ihre Angst vor der Auseinandersetzung, die letztlich doch bloß eine undefinierbare Angst war, Erik zu verlieren.
    Doch nun war es womöglich zu spät. Vielleicht hatte sie am Ende alles verloren.
    Komm zurück! Komm zurück!
    Lisa hielt es nicht mehr aus. Wie in Trance schoben ihre Hände die Fotos und die anderen Utensilien zur Seite. Dann griff sie beinahe wie von selbst in die Schublade und holte einen Stapel unschuldiges, weißes Papier hervor. Sie sah sich nach ihrer Handtasche um und kramte nach ihrem Füllfederhalter, den sie wie durch ein kleines Wunder ohne langes Wühlen sofort fand.
    Endlich, endlich würde sie alles loswerden können, was ihr auf der Seele lag, dachte Lisa.
    Schon allein das Vorhaben, Erik einen Liebesbrief zu schreiben, erfüllte sie mit wohltuender Erleichterung. Sie hatte in den letzten Tagen so viele wertvolle Erkenntnisse gewonnen, die sie unbedingt mit ihm teilen wollte.
    Fast wie von Geisterhand glitt der Stift über das Papier. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, um sich einen Weg zu Erik zu bahnen. Und kaum hatte Lisa die erste Seite vollgeschrieben, stellte sich das wunderbare Gefühl ein, ihm wieder ganz nah zu sein.

[zur Inhaltsübersicht]
30.
    Es war tief in der Nacht gewesen, als Lisa den Brief endlich beendet hatte. Und dennoch war es ihr ein großes Bedürfnis, wenigstens auch noch das Album für Erik fertigzustellen.
    Sie hätte ohnehin nicht schlafen können.
    Nun saß sie schon eine ganze Zeit lang mit Renate an Eriks Bett, jedoch ohne dass sich irgendetwas tat. Noch immer lag ihr Liebster einfach nur bewegungslos da. Er schien eigentlich so nah und doch unerreichbar.
    Liebend gern hätte Lisa ihm sofort den Brief vorgelesen oder ihn wenigstens unter sein Kopfkissen geschoben. Doch es erschien ihr irgendwie nicht richtig, den für sie so bedeutenden Schritt in Renates Beisein zu tun.
    «Ach, mein Liebes», seufzte ihre Schwiegermutter nun, als hätte sie Lisas Gedanken gelesen. «Ich glaube, ich mache mich auf den
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