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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
Autoren: Louise Doughty
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Ärmel schob und es sich auf die Schultern gleiten ließ. »Sie sind sehr behaart«, sagte ich.
    »Danke«, erwiderte er lächelnd.
    Auch ich lächelte. »Das war kein Kompliment, Mr. Needham, sondern eine Feststellung. Bevor ich Sie tapen kann, müssen Sie nach Hause gehen und sich rasieren. Ich kann Ihre Schulterblätter in Form tapen, was Ihre Haltung verbessern wird, aber das Tape ist klebrig. Wenn Sie es entfernen, ist das so, als würden Sie ein Pflaster abreißen.«
    Er verzog das Gesicht. »Wie viel von diesem Tape würden Sie verwenden?«
    Ich stand wieder auf, ließ mir diesmal mehr Zeit und ging um den Tisch herum, der zwischen uns stand. Er sah mich unverwandt an, noch nicht ganz mit dem glutäugigen Blick, aber schon in der Art, irgendwie lauernd. Ich ging zu ihm. Er schwieg. Ich stellte mich hinter seinen Stuhl und wartete kurz. Dann legte ich ihm sacht die Hände auf die Schultern – sehr sacht. Er hatte auf halber Strecke mit dem Hemdzuknöpfen aufgehört und saß ganz still. Es war ein Bürohemd, blau, mit kurzen Ärmeln, das optimistische Überbleibsel einer Sommergarderobe. Obwohl ich schon seinen nackten Oberkörper berührt hatte, war etwas an der Festigkeit seiner Schultern unter dem Stoff fast unerträglich erregend für mich. Ich mochte seine Schultern, nicht zu bullig, aber kraftvoll. Für einen Mann, der behauptete, keinen Sport zu treiben, hatte er erstaunlich wenig Fett am Leib. Ich ließ meine Hände erst kurz dort ruhen, dann nach und nach seine Schulterblätter hinabwandern, mit gespreizten Fingern, wie zwei Wasserfälle. »Hier trage ich zwei Streifen Tape auf, einmal längs über jeder Schulter, wie BH -Träger …« Ich unterbrach mich. Er rührte sich nicht, sagte nichts. Ich wollte, dass er sich auf dem Stuhl umdrehte, mir die Arme fest um die Taille schlang und sein Gesicht an meinem Bauch barg – mehr als das, ich wollte, dass er mich auf die Untersuchungsliege drückte und mir den Rock hochschob. Mein Gott, dachte ich, ich belästige einen Patienten sexuell. »Dann nehme ich noch einen Streifen Tape, sage Ihnen, dass Sie gerade sitzen sollen, in guter Haltung, und trage ihn hier quer auf.« Mit der Fingerspitze zog ich eine Linie von einem imaginären Träger zum anderen.
    »Werden meine Brustwarzen davon betroffen sein?«, fragte er ruhig.
    Puh, dachte ich. Jetzt belästigt er – rein theoretisch – mich sexuell.
    »Ihren Brustwarzen geschieht nichts«, sagte ich ruhig. Ich hielt inne, nahm meine Hände von seinem Rücken und ging wieder hinter meinen Schreibtisch zurück.
    Er sah mir zu, sagte aber nichts. Ich setzte mich und schrieb etwas in seine Akte, während ich mir seines unverwandten Blicks vollkommen bewusst war, und auch dessen, dass keiner von uns irgendeine schlüpfrige Bemerkung machte. Es war ein Patt. In dem offiziellen Muster unserer Beziehung – Patient und Physiotherapeutin – befand ich mich in der Machtposition, aber es war, als hielten wir jetzt gerade ein heikles Gleichgewicht, jeder am anderen Ende einer Wippe, jeder darauf wartend, dass der andere das Gewicht verlagerte. Ich spürte, dass es an mir war, ein Zeichen zu geben, ob mir ein weiterer Vorstoß von ihm recht war.
    Ich klappte seine Akte zu. »Manchmal rasiere ich Patienten selbst«, sagte ich. »Man kommt nicht gut an seinen eigenen Rücken ran, und Sie sind stark behaart. Haben Sie jemanden zu Hause, der das für Sie machen könnte?«
    Er verzog das Gesicht, hob die Hände, um mir die leeren Handflächen zu zeigen, und ließ sie wieder sinken. »Niemand.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich rasch und sog gleich darauf den Atem ein. Genau genommen tat das nichts zur Sache.
    Sein Lächeln schien ungefähr fünf Minuten zu dauern und sich von einer Bürowand zur anderen zu erstrecken. Seine Zähne waren vorzeigbar und weiß.
    Während wir uns ansahen, drehte ich den Kuli zwischen den Fingern hin und her. Unversehens rutschte er mir aus der Hand und hüpfte über den Schreibtisch. Ich machte einen unbeholfen Versuch, ihn mir zu schnappen.
    »Verlieren Sie oft Ihren Kuli?«, fragte er, immer noch lächelnd.
    »Wie läuft’s in der Füllerfabrik?«, gab ich zurück.
    »Toll«, sagte er. »Ich bin befördert worden. Ich krieg Stifte umsonst. Wenn Sie wollen, besorg ich Ihnen welche. Offensichtlich verlieren Sie Ihre ja ständig.«
    »Warum haben Sie nicht angerufen?«, fragte ich. »Ist das ein Euphemismus?«
    »Die Stifte? Na klar. Warum sind Sie verschwunden?«, antwortete er. »Sie verschwinden
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