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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
Autoren: Louise Doughty
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ich nicht lange ohne feste Begleitung bleiben konnte, wagte ich den Sprung ins kalte Wasser, ging rüber und pflanzte mich vor ihm auf. Er sah mir erwartungsvoll entgegen, ohne den Funken eines Wiedererkennens. Die kleine, blonde Frau stierte mich an. Ich beugte mich zu ihm vor und fragte: »Entschuldigung, sind Sie nicht ein Freund von Carole?«
    »Carole …«, sagte er und wandte sich von seiner Begleiterin ab, die ihm daraufhin einigermaßen demonstrativ den Rücken zukehrte und sich mit jemandem hinter ihr in ein angeregtes Gespräch vertiefte.
    Er schürzte die Lippen und runzelte die Stirn. »Ach, oje …«, stöhnte er dann auf und verdrehte die Augen. »Carole. Diese Carole.«
    Ich atmete lachend aus, als würde ich die ganze Story kennen.
    »Carole«, sagte er kopfschüttelnd, »die hatte einen Sockenschuss, was?« Sein Akzent machte sich ein wenig deutlicher bemerkbar als in meiner Erinnerung. Später gab er zu, dass er ihn automatisch stärker hervorkehrte, wenn er jemanden neu kennenlernte. Ein günstiger Aufhänger für Gespräche, wenn er Frauen anquatschte, und eine Möglichkeit, Männer herauszufordern. Nichts regte ihn mehr auf als ein Engländer, der sich über seinen Akzent mokierte.
    »Ähm, ja.«
    »Und Sie waren mir ihr befreundet?«
    »Eine Zeit lang, ja.« Ich setzte auf Risiko. »Damals hab ich alles über Sie erfahren.«
    Er ächzte erneut. »So viel zu meinen Chancen, Sie je rumzukriegen.«
    Genau diesen Moment wählte die Kurzgewachsene für ihr erneutes Auftauchen an seinem Ellenbogen. Eine Hand sanft auf seinen Unterarm gelegt, lächelte sie mir zu.
    Ich hob mein Weinglas: »Na dann …«
    Als ich an den Getränketisch zurückging, kam David mir nach. »Ich erinnere mich an Sie …«, sagte er. »Abbie.«
    Ich schüttelte den Kopf und griff nach einer Flasche auf dem Tisch. »Knapp daneben.«
    Er verzog das Gesicht. »Ach herrje, jetzt hab ich glatt meine letzte Chance vertan.«
    Ich drehte mich um, suchte mit den Augen das Zimmer ab und murmelte ihm aus dem Mundwinkel zu: »Probieren Sie es mit einer anderen Taktik.«
    Auch sein Blick suchte den Raum ab, als wären wir zwei Spione, die sich bemühten, möglichst unauffällig miteinander zu kommunizieren. Die Kurzgewachsene stand mit dem Rücken zu uns, aber die beiden Frauen, mit denen sie sich in der Ecke unterhielt, glotzten mich an.
    »Wollen Sie meine Frau werden?«, fragte er.
    »Das ist wirklich mal was anderes«, stellte ich anerkennend fest und prostete ihm zu.
    Ich bin mir sicher, dass er sich auch da noch nicht an unsere erste Begegnung in dem Pub erinnerte – obwohl er das später behauptet hat –, nicht einmal, als er den Frauen, die uns aus der Ecke beäugten, den Rücken zuwandte, zu mir herabschaute, wie ich mich an die Tischkante lehnte, und mich mit diesem eindringlichen, intensiven Blick bedachte.
    Ich schaute zur Seite. Ich hätte warten sollen, bis er etwas sagte, war aber zu nervös und mir zugleich meiner selbst zu sicher. »Sind Sie noch Ingenieur?«, fragte ich.
    Das war eine zu alltägliche Frage. Und schon hatte ich ihn verloren. »Ich arbeite in einer Füllfederfabrik an der Küste«, antwortete er mit ausdrucksloser Miene, routinemäßig. Er hätte mit jeder x-Beliebigen reden können.
    »Hennett’s? Da in der Nähe bin ich aufgewachsen«, beeilte ich mich zu versichern.
    »Meine ganze Familie wohnt um Eastley rum. Na ja, im Grunde sind sie Eastley. Ich hab eine große Familie. Halb Aberyswyth wohnt jetzt in Eastley.«
    »Ich bin hinter dem Recreation Ground aufgewachsen, dem neuen Wohnpark, jede Menge Kieselrauputz, der mit …«, brabbelte ich drauflos. Trotz unserer Entdeckung, dass wir in Nachbarstädten aufgewachsen waren, spürte ich, dass seine Aufmerksamkeit nachließ. Er sah sich im Zimmer um. Auf einmal war es voll mit Leuten. Die Party hatte angefangen.
    »Dann will ich mal …«, sagte er, hob sein Glas und nickte zur anderen Seite des vollen Zimmers rüber, wo seine kleine Freundin hinter dem plötzlichen Ansturm von Partygästen abgetaucht war. Mir fiel kein Vorwand ein, um ihn aufzuhalten. Mach dir nichts draus, dachte ich. Lass eine halbe Stunde vergehen, dann schnappst du dir deinen Mantel, gehst zu ihm rüber und fragst ihn nach seiner Telefonnummer, schlägst einen Kaffee oder etwas in der Art vor, ganz beiläufig. Wenn du dir dann eine Abfuhr einhandelst, kannst du dich sofort verdrücken.
    Ich ging in die Küche, wartete die halbe Stunde ab, zog meinen Mantel über – grüne Wolle,
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