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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid?
Autoren: PeP eBooks
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wollte wissen, was sie von der amerikanischen Politik gegenüber dem Iran halte. Wieder lachte die junge Frau fröhlich. Amerika sei ein großartiges Land. Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA sei ein Streit der Politiker, und Politik interessiere sie nicht.
    Sie ließ mich ein paar Fotos machen und entschwand freundlich grüßend mit ihrem Stars-and-Stripes-Baby in der Menge. Außer uns interessierte sich niemand für die Kopfbedeckung ihres Kindes.
    Dreimal habe ich Israel besucht, eines der schönsten und spannendsten Länder, die ich kenne. Ich war in Tel Aviv und Jerusalem und verbrachte erschüttert Stunden in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Im Garten Gethsemane, den der spanische Franziskanermönch Rafael nachmittags immer für mich aufschloss, las ich im Schatten uralter Olivenbäume das Alte Testament zu Ende und schrieb Teile dieses Buches.
    Auf dem Ölberg befindet sich auch der jüdische Friedhof. Direkt daneben steht in einem herrlichen Olivenhain
die kleine Kirche »Dominus flevit«. Hier soll Jesus über den nahenden Untergang Jerusalems geweint haben. Auch in diesem Olivengarten habe ich manche Stunde verbracht. Wenn ich zu den am Fuße des Ölbergs liegenden uralten Gräbern hinunterschaute, musste ich immer an die melancholischen Worte Salomos im Alten Testament denken:
    »Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich so anstrengt unter der Sonne?« (Buch Kohelet, 1,2 – 3). Wieder und wieder habe ich unter meinem Olivenbaum diese Sätze gelesen und daran gedacht, wie wenig ich mich in meinem Leben daran gehalten habe.
    An Jerusalem habe ich mein Herz verloren – diese traumhafte Metropole des Judentums, des Christentums und des Islam. Ich werde immer wieder in diese magische Stadt zurückkehren. Sie überragt alle Städte, die ich in meinem Leben gesehen habe.
    Ich war auch in den Palästinensergebieten – in Bethlehem, Nablus sowie zweimal in Hebron am Grab Abrahams. Nur nach Gaza habe ich es nicht geschafft. Sehr freundliche, aber resolute junge israelische Soldaten hielten mir ihre Maschinenpistole vors Gesicht und erklärten, in Gaza hätte ich nichts zu suchen. Und ich hatte gedacht, Gaza gehöre den Palästinensern!
    Auch in Israel und in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten habe ich großartige Menschen kennengelernt – liebenswerte, geistreiche Israelis und liebenswürdige, hilfsbereite Palästinenser. Mit beiden habe ich wunderbare Abende verbracht. Das Israel-Palästina-Problem ist weniger ein Problem der Bevölkerung beider Seiten als vielmehr ein Problem ihrer Politiker und Funktionäre. Immer wenn eine Lösung in greifbare Nähe rückt, torpedieren Extremisten beider Seiten sie wieder. Auf diesen
dumpfen Mechanismus kann man sich fast blind verlassen.
    In meinem früheren Beruf als Entwicklungspolitiker und Rüstungskontrollexperte musste ich viel reisen. Auch nach meiner Zeit als Politiker habe ich fast jeden Urlaub und fast jedes lange Wochenende für Fernreisen genutzt. Ich fand es immer interessanter, fremde Länder zu erkunden, als mich an irgendeinem übervölkerten Strand in der Sonne braten zu lassen. Auf diesen Reisen habe ich viel gelernt. Immer wieder musste ich meine Vorurteile korrigieren, obwohl ich mir eingebildet hatte, Vorurteile hätten nur andere.
    Genauso faszinierend wie all diese Reisen war allerdings meine »Reise« durch die über 1800 klein gedruckten Seiten der Bibel und die 520 Seiten des Koran. Das mag überraschend klingen. Aber ich habe nie ein dramatischeres, sprachgewaltigeres Buch gelesen als das Alte Testament, nie ein stärker von Liebe durchdrungenes Buch als das Neue Testament und nie ein mehr vom Geist der Gerechtigkeit geprägtes Buch als den Koran, dessen vielgerühmte poetische Brillanz selbst durch holprige Übersetzungen des arabischen Urtextes noch durchschimmert.
    Ich kann die Lektüre dieser drei Meisterwerke der Weltliteratur nur jedem ans Herz legen – vor allem jenen Politikern, die ständig über sie reden, obwohl sie sie wahrscheinlich nie gelesen haben. Wer diese packenden, sprachmächtigen Bücher liest, wird verstehen, warum sie die Welt so stark beeinflusst haben und dies immer noch tun.
    Ich liebe die arabische Welt, aber ich reise auch gern in andere Länder. Mehrfach war ich in Lateinamerika, in Kuba und Chile. Ich hielt mich während der Freiheitskriege in Mosambik und Angola auf und habe mehrere Male Asien bereist,
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