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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß?
Autoren: Jared Diamond
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selbst überlassen und wieder an die Arbeit gehen, um ein weiteres befruchtetes Ei zu erzeugen – sei es mit demselben Partner oder mit einem anderen? Einerseits steigen durch die Pause beim Sex, die durch die Brutpflege eintritt, in vielen Fällen die Überlebenschancen für das erste Ei. Wenn das zutrifft, führt diese Entscheidung zu weiteren Wahlmöglichkeiten: Mutter und Vater können sich entschließen, gemeinsam Brutpflege zu betreiben, oder es übernimmt nur einer von beiden diese Aufgabe. Hat das Ei andererseits auch ohne elterliche Fürsorge eine Überlebenschance von eins zu zehn, während man in der Zeit, in der man es versorgt, ansonsten tausend weitere befruchtete Eier erzeugen könnte, verläßt man am besten das erste Ei und widmet sich sofort der Produktion weiterer Eizellen.
     
    Ich habe diese Alternativen als »Wahlmöglichkeiten« bezeichnet. Dieses Wort legt die Vorstellung nahe, daß Tiere wie Menschen handeln, die sich für etwas entscheiden, indem sie bewußt Alternativen gegeneinander abwägen und schließlich diejenige wählen, die am ehesten in ihrem eigenen Interesse zu liegen scheint. Das geschieht natürlich nicht. Viele sogenannte Wahlmöglichkeiten sind in Wirklichkeit durch Anatomie und Physiologie eines Tieres vorprogrammiert. Känguruhweibchen haben sich zum Beispiel dafür »entschieden«, einen Beutel zu besitzen, der ihre Jungen aufnehmen kann, und Känguruhmännchen haben das nicht getan. Bei den verbleibenden Wahlmöglichkeiten handelt es sich vorwiegend oder ausschließlich um solche, die anatomisch für beide Geschlechter möglich wären, aber Tiere besitzen einen einprogrammierten Instinkt, der sie veranlaßt, Brutfürsorge zu betreiben oder nicht, und diese instinktive Verhaltens»entscheidung« kann bei den beiden Geschlechtern einer Spezies unterschiedlich ausfallen. Unter den Vögeln sind zum Beispiel männliche und weibliche Albatrosse darauf programmiert, den Jungen Futter zu bringen; bei den Straußenvögeln sind es nur die Männchen, aber nicht die Weibchen, bei den meisten Kolibris nur die Weibchen, aber nicht die Männchen, und bei den Buschhühnern haben weder Männchen noch Weibchen den einprogrammierten Instinkt, ihre Jungen mit Futter zu versorgen – und das, obwohl bei allen diesen Arten beide Geschlechter anatomisch gleichermaßen dazu in der Lage wären.
     
    Anatomie, Physiologie und Instinkte, die der Brutpflege zugrunde liegen, sind ausnahmslos durch die natürliche Selektion genetisch vorprogrammiert. Gemeinsam bilden sie einen Teil dessen, was Biologen als Fortpflanzungsstrategie bezeichnen. Genetische Rekombinations- oder Mutationsereignisse bei einem Vogel können den Instinkt, seinen Jungen Futter zu bringen, stärken oder schwächen, und dieses Ereignis kann bei den beiden Geschlechtern einer Spezies unterschiedlich ablaufen. Und solche Instinkte können sich stark auf die Zahl der Jungvögel auswirken, die überleben und die Gene ihrer Eltern weitertragen. Daß ein Junges, dem seine Eltern Futter bringen, eher überlebt, liegt auf der Hand, aber wie wir noch sehen werden, gewinnt ein Elterntier, das darauf verzichtet , seine Jungen zu füttern, dadurch andere, größere Chancen, seine Gene weiterzugeben.
     
    Insgesamt kann ein Gen, das einen Elternvogel veranlaßt, seinen Jungen instinktiv Futter zu bringen, also zu einer höheren oder niedrigeren Zahl von Jungen mit den Genen des Elterntiers führen – das hängt von ökologischen und biologischen Faktoren ab, die wir noch erörtern werden.
     
    Wenn Gene anatomische Strukturen oder Instinkte festlegen, die das Überleben der Nachkommen mit diesen Genen gewährleisten, dann werden solche Gene im Laufe der Zeit häufiger. Diese Aussage kann man auch anders formulieren: Anatomische Strukturen und Instinkte, die das Überleben und den Fortpflanzungserfolg fördern, setzen sich durch, das heißt, sie werden von der natürlichen Selektion genetisch programmiert. Aber die Notwendigkeit, solche wortreichen Feststellungen zu treffen, ergibt sich in Gesprächen über Evolutionsbiologie häufig. Deshalb bedienen sich die Biologen ständig einer menschlich geprägten Sprache: Sie sagen zum Beispiel, ein Tier »entscheide« sich, etwas zu tun oder eine Strategie zu verfolgen. Diese verkürzte Ausdrucksweise sollte man nicht dahingehend mißverstehen, daß Tiere angeblich bewußt abwägen.
     
    Lange Zeit dachten die Evolutionsbiologen, die natürliche Selektion fördere irgendwie »das Wohl der
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