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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß?
Autoren: Jared Diamond
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sexuellen Kannibalismus. Bei manchen Arten der Spinnen und Gottesanbeterinnen wird das Männchen während der Kopulation oder unmittelbar danach regelmäßig vom Weibchen aufgefressen. Dieser Kannibalismus ereignet sich sicher mit Zustimmung des Männchens, denn die Männchen solcher Arten nähern sich dem Weibchen, machen keinerlei Fluchtversuche und beugen manchmal sogar Kopf und Brust zum Mund des Weibchens, so daß dieses den Partner schon zum größten Teil verspeisen kann, während der Hinterleib noch übrig bleibt und den Akt der Samenablagerung vollendet.
     
    Wenn man sich die natürliche Selektion als das Streben nach bestmöglichem Überleben vorstellt, scheint ein solcher kannibalistischer Selbstmord keinen Sinn zu ergeben. Aber in Wirklichkeit strebt die natürliche Selektion nach bestmöglicher Fortpflanzung der Gene, und das Überleben ist in den meisten Fällen nur eine Strategie, die wiederholt Gelegenheiten zur Weitergabe der Gene schafft. Angenommen, solche Gelegenheiten ergeben sich nur selten und unvorhersehbar, und die Zahl der bei solchen Gelegenheiten gezeugten Nachkommen wächst mit dem Ernährungszustand des Weibchens.
     
    Genau das ist bei manchen Arten der Spinnen und Gottesanbeterinnen, die in niedriger Populationsdichte leben, tatsächlich der Fall. Ein Männchen hat Glück, wenn es überhaupt einmal auf ein Weibchen trifft, und daß sich der gleiche Zufall ein zweites Mal ereignet, ist unwahrscheinlich. Dann besteht die beste Strategie des Männchens darin, daß es bei der einen glücklichen Gelegenheit möglichst viele Nachkommen mit seinen Genen zeugt. Und je besser das Weibchen ernährt ist, desto mehr Kalorien und Proteine kann es den Eiern mitgeben. Ein Männchen, das sich nach der Paarung davonmacht, würde wahrscheinlich nicht noch einmal ein Weibchen finden, und sein Weiterleben wäre nutzlos. Bietet es sich aber statt dessen dem Weibchen als Nahrung an, schafft es die Möglichkeit, daß das Weibchen mehr Eier produziert, die die Gene des Männchens tragen. Außerdem läßt ein Weibchen, dessen Mund durch das Knabbern am männlichen Körper abgelenkt ist, die Kopulation mit den Geschlechtsorganen des Männchens über längere Zeit zu, so daß mehr Samen abgelegt und mehr Eier befruchtet werden. Unter Evolutionsgesichtspunkten benimmt sich das Spinnenmännchen völlig logisch; sein Verhalten erscheint uns nur deshalb seltsam, weil sexueller Kannibalismus für uns Menschen aus anderen biologischen Gründen von Nachteil wäre. Die meisten Männer haben in ihrem Leben mehr als einmal die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr, auch gutgenährte Frauen bringen in der Regel nur ein Kind oder höchstens Zwillinge auf einmal zur Welt, und die Frau könnte bei einer Mahlzeit keinen so großen Teil vom Körper des Mannes verspeisen, daß die Nährstoffversorgung für ihre Schwangerschaft sich dadurch nennenswert verbessern würde. Dieses Beispiel macht deutlich, wie die Entwicklung sexueller Strategien in der Evolution sowohl von ökologischen Faktoren als auch von den biologischen Eigenheiten der jeweiligen Spezies abhängt, und beide sind von Art zu Art verschieden. Bei Spinnen und Gottesanbeterinnen wird der sexuelle Kannibalismus sowohl durch die ökologischen Variablen der geringen Populationsdichte und der geringen Begegnungswahrscheinlichkeit begünstigt als auch durch die biologischen Faktoren der Fähigkeit des Weibchens, bei einer Mahlzeit relativ große Nahrungsmengen aufzunehmen und bei guter Ernährung deutlich mehr Eier zu produzieren. Ökologische Bedingungen wandeln sich manchmal über Nacht, wenn ein Individuum einen neuen Lebensraum besiedelt, aber ein solches Individuum trägt den Ballast der ererbten biologischen Eigenschaften mit sich herum, die sich nur allmählich durch die natürliche Selektion ändern können. Deshalb reicht es nicht aus, Lebensraum und Lebensweise einer Art zu betrachten, auf dem Papier eine Reihe sexueller Merkmale zu konstruieren, die zu Lebensraum und Lebensweise passen, und sich dann zu wundern, wenn sich diese angeblich optimalen sexuellen Merkmale nicht entwickeln. In Wirklichkeit ist die Evolution der Sexualität durch ererbte Festlegungen und die bisherige Entwicklungsgeschichte stark eingeschränkt.
     
    So legen zum Beispiel die Weibchen der meisten Fischarten die Eier ab, und das Männchen befruchtet diese Eier dann außerhalb des weiblichen Körpers; bei allen Säugetieren mit einer Plazenta und allen Beuteltieren dagegen bringen die
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