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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß?
Autoren: Jared Diamond
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im Menstruationszyklus befindet und noch nicht wieder schwanger ist; Schimpansen und Bonobos schließlich leben in Rudeln ohne dauerhafte Paarbeziehungen und ohne eine besondere Bindung zwischen Vater und Nachkommen. Welche entscheidende Rolle unser großes Gehirn und der aufrechte Gang für unser sogenanntes Menschsein gespielt haben, liegt auf der Hand – es zeigt sich darin, daß wir uns einer Sprache bedienen, Bücher lesen, fernsehen, den größten Teil unserer Lebensmittel kaufen oder anbauen, alle Kontinente und Ozeane besiedeln, Angehörige unserer eigenen und anderen Spezies in Käfige sperren und die meisten anderen Tier- und Pflanzenarten ausrotten, während die Menschenaffen immer noch sprachlos im Urwald nach wilden Früchten suchen, kleine Gebiete in den Tropen der Alten Welt bewohnen, keine Tiere einsperren und keine andere Spezies in ihrer Existenz bedrohen. Welche Rolle spielte unsere sonderbare Sexualität beim Erwerb dieser Kennzeichen des Menschlichen?
     
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen unserer sexuellen Andersartigkeit und unseren anderen Unterschieden zu den Menschenaffen? Zu diesen Unterschieden gehören neben dem aufrechten Gang und dem großen Gehirn (wahrscheinlich als deren Folge) die vergleichsweise geringe Behaarung, die Abhängigkeit von Werkzeugen, die Beherrschung des Feuers und die Entwicklung von Sprache, Kunst und Schrift. Wenn einer dieser Unterschiede die Voraussetzung dafür geschaffen hat, daß wir unsere sexuelle Andersartigkeit entwickeln konnten, sind die Zusammenhänge sicher nicht geklärt. So ist zum Beispiel nicht zu erkennen, warum der Verlust der Körperbehaarung den als Vergnügen dienenden Sex reizvoller machen sollte oder warum die Beherrschung des Feuers zu den Wechseljahren beitragen soll. Ich argumentiere deshalb genau umgekehrt: Sex als Vergnügen und Wechseljahre waren für die Beherrschung des Feuers sowie für die Entwicklung von Kunst, Sprache und Schrift ebenso wichtig wie der aufrechte Gang und das große Gehirn.
    Der Schlüssel zum Verständnis der menschlichen Sexualität ist die Erkenntnis, daß es sich um ein evolutionsbiologisches Problem handelt. Als Darwin in seinem großen Werk Die Entstehung der Arten das Phänomen der biologischen Evolution erkannte, bezog er die meisten Belege aus der Anatomie. Er schloß daraus, daß die meisten Strukturen der Tiere und Pflanzen eine Evolution durchmachen, das heißt, sie neigen dazu, sich von Generation zu Generation zu verändern. Außerdem gelangte er zu der Erkenntnis, daß die natürliche Selektion die wichtigste Triebkraft des entwicklungsgeschichtlichen Wandels ist. Mit diesem Begriff meinte Darwin, daß Pflanzen und Tiere sich in ihrer anatomischen Anpassung unterscheiden, daß bestimmte Anpassungen ein Individuum in die Lage versetzen, mit größerem Erfolg zu überleben und sich fortzupflanzen als andere Individuen, und daß diese besonderen Anpassungen deshalb in einer Population von Generation zu Generation häufiger werden. Später konnten die Biologen nachweisen, daß Darwins Überlegungen nicht nur auf die Anatomie, sondern auch auf Physiologie und Biochemie zutreffen: Auch mit seinen physiologischen und biochemischen Eigenschaften paßt ein Tier oder eine Pflanze sich als Reaktion auf die Umweltbedingungen an eine bestimmte Lebensweise an.
     
    In jüngerer Zeit haben die Evolutionsbiologen gezeigt, daß die Sozialsysteme der Tiere ebenfalls eine Evolution durchmachen und sich anpassen. Selbst unter engverwandten Tierarten sind manche unter Umständen Einzelgänger, andere leben in kleinen Gruppen, und wieder andere bilden große Verbände. Aber das Sozialverhalten wirkt sich auf Überleben und Fortpflanzung aus. Ein Beispiel: Je nachdem, ob die Nahrung für eine Art gehäuft an einer Stelle oder weit verstreut vorkommt, und je nach der Gefährdung durch natürliche Feinde kann entweder das Einzelgängerdasein oder das Leben in der Gruppe für Überleben und Fortpflanzung nützlicher sein.
     
    Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Sexualität. Wahrscheinlich sind manche sexuellen Eigenschaften für Überleben und Fortpflanzung vorteilhafter als andere, je nachdem, wie eine Spezies mit Nahrung versorgt ist, welchen Gefahren sie durch natürliche Feinde ausgesetzt ist und welche anderen biologischen Eigenschaften sie hat. Ich möchte an dieser Stelle nur ein Beispiel nennen, eine Verhaltensweise, die der Logik der Evolution auf den ersten Blick diametral zu widersprechen scheint: den
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