Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Autoren: Pamela Druckerman
Vom Netzwerk:
Menschen und Städten verbunden fühlt und kein offizielles Zuhause braucht. Er bezeichnet seinen Lebensstil als »freistehend«, so als sei er eine Immobilie.
    Einige unserer englischsprachigen Freunde haben Frankreich bereits wieder verlassen, meist weil sie den Job gewechselt haben. Aber unsere Jobs erfordern nicht, dass wir hier leben. Von der Käseplatte einmal abgesehen, gibt es keinen Grund, hier zu sein. Und »kein Grund« plus ein Baby kommt mir bald vor wie der wichtigste Grund überhaupt.

Eine Amerikanerin in Paris
    Unsere neue Wohnung ist kein Pariser Postkartenidyll. Sie liegt in einem chinesischen Textilviertel und geht von einer engen Gasse ab, in der uns ständig Männer anrempeln, die Müllsäcke voller Klamotten mit sich herumschleppen. Nichts weist darauf hin, dass wir in derselben Stadt leben, in der sich auch der Eiffelturm, Notre Dame oder die sich elegant dahinschlängelnde Seine befinden.
    Und trotzdem fühlen wir uns in dem Viertel wohl. Simon und ich ziehen uns jeden Morgen in unser jeweiliges Lieblingscafé um die Ecke zurück, um die angenehme Ruhe zu genießen. Auch hier gehorcht die Kontaktaufnahme mir unbekannten Regeln. Es ist erlaubt, mit der Bedienung zu scherzen, nicht aber mit den anderen Gästen (außer sie sitzen an der Bar und scherzen ebenfalls mit dem Personal). Eines Morgens versuche ich, mit einem anderen Stammgast ins Gespräch zu kommen – mit einem Mann, den ich seit Monaten täglich sehe. Ich sage, dass er mich an einen Amerikaner erinnert, den ich kenne, und meine das vollkommen ernst.
    »An wen? An George Clooney vielleicht?«, fragt er abfällig. Wir reden nie mehr miteinander.
    Mit unseren neuen Nachbarn mache ich schon mehr Fortschritte. Der schmale Bürgersteig vor unserem Haus geht in einen kopfsteingepflasterten Innenhof über, in dem sich niedrige Häuser und Wohnungen gegenüberstehen. Die Mieter sind eine Mischung aus Kreativen, Berufseinsteigern, rätselhaft unterbeschäftigten Menschen und älteren Frauen, die gefährlich über das unebene Pflaster klettern. Wir leben alle so dicht zusammen, dass man sich gar nicht ignorieren kann, obwohl einigen sogar das gelingt.
    Es ist hilfreich, dass meine Nachbarin von nebenan, eine Architektin namens Anne, zwei Monate vor mir ein Kind bekommen wird. Obwohl ich vollauf mit Essen und Mir-Sorgen-Machen beschäftigt bin, komme ich nicht umhin festzustellen, dass Anne und andere Französinnen aus meinem Bekanntenkreis ganz anders mit ihrer Schwangerschaft umgehen.
    Zunächst einmal betrachten sie die Schwangerschaft nicht als Forschungsprojekt. Es gibt jede Menge französische Erziehungsratgeber, Elternzeitschriften und entsprechende Websites. Aber man muss sie nicht lesen, und niemand scheint sie zu verschlingen. Und erst recht niemand ist auf der Suche nach einer bestimmten Erziehungsphilosophie oder kann die diversen Stile beim Namen nennen. Es gibt keine Neuerscheinung, die man unbedingt gelesen haben muss, und sogenannte Experten auf diesem Gebiet haben nicht solche Macht über Eltern wie bei uns.
    »Solche Ratgeber sind hilfreich für Leute, denen das nötige Selbstvertrauen fehlt. Aber ich glaube nicht, dass man ein Kind mit Büchern erziehen kann. Man muss auf seinen Instinkt hören«, sagt eine Pariser Mutter.
    Die Französinnen aus meinem Bekanntenkreis sind kein bisschen blasé , was ihr zukünftiges Mutterdasein oder das Wohlbefinden ihrer Babys angeht. Sie sind beeindruckt, interessiert und wissen, dass sich ihr Leben von Grund auf verändern wird. Aber sie zeigen es anders. Wir Amerikanerinnen zeigen unser Engagement, indem wir uns Sorgen machen und signalisieren, was wir alles zu opfern bereit sind – und das schon in der Schwangerschaft. Französinnen dagegen zeigen ihr Engagement, indem sie gelassen klarstellen, nicht auf Genuss und auf ihr Frausein verzichten zu wollen.
    Eine Bildstrecke in der Zeitschrift Neuf Mois (»Neun Monate«) zeigt eine hochschwangere Brünette in Spitzendessous, die in Gebäckstücke beißt und sich Marmelade von den Fingern leckt. »In der Schwangerschaft sollten Sie Ihre innere Frau verwöhnen«, steht in einem anderen Artikel. »Widerstehen Sie unbedingt dem Drang, sich die Hemden Ihres Partners auszuleihen.« Eine Liste mit Aphrodisiaka für werdende Mütter enthält Schokolade, Ingwer … und Zimt (wir sind schließlich nicht umsonst in Frankreich).
    Dass normale Französinnen diesen Ruf zu den Waffen durchaus ernst nehmen, merke ich, als Samia, eine Mutter aus meiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher