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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Autoren: Pamela Druckerman
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»sündigen«. Eine Schwangerschaft scheint in unserem Land eine einzige Sünde zu sein: Die Auflistung von Schwangerschaftsgelüsten liest sich wie eine Aufzählung all der Lebensmittel, die sich Frauen bei uns seit ihrer Pubertät versagen: Käsekuchen, Milchshakes, Makkaroniauflauf, Eistorten. Ich habe vor allem Lust auf Zitrone und auf riesige Brotlaibe.
    Jemand erzählt mir, dass Jane Birkin, die britische Schauspielerin, die in Paris Karriere gemacht und den legendären französischen Sänger Serge Gainsbourg geheiratet hat, sich nie merken konnte, ob es nun un baguette oder une baguette heißt, weshalb sie einfach immer deux baguettes (zwei Baguettes) verlangte. Ich kann das Zitat nirgendwo finden, aber immer wenn ich zum Bäcker gehe, übernehme ich ihre Strategie. Doch anders als die zierliche Birkin esse ich sie auch wirklich beide auf.
    Ich verliere während meiner Schwangerschaft nicht nur meine gute Figur, ich verliere auch mich selbst – die Frau, die sich einst zum Abendessen verabredet und sich Sorgen um die Palästinenser gemacht hat. Inzwischen verbringe ich meine gesamte Freizeit damit, nach den neuesten Kinderwagen Ausschau zu halten und mögliche Gründe für Koliken bei Säuglingen auswendig zu lernen. Diese Entwicklung von der »Frau« zur »Mutter« scheint unausweichlich zu sein. Eine Modestrecke in einer Schwangerschaftszeitschrift, die ich mir auf einer Reise in die Heimat kaufe, zeigt dickbäuchige Frauen in weiten Blusen und Männerschlafanzughosen. Dieses Outfit könne man angeblich den ganzen Tag tragen. Als Vermeidungsstrategie, nicht an meinem Buch weiterschreiben zu müssen, ergehe ich mich in Tagträumen, in denen ich den Journalismus aufgebe und eine Ausbildung zur Hebamme mache.
    Richtiger Sex ist der letzte symbolische Dominostein, der fällt. Obwohl Sex theoretisch erlaubt ist, gehen Bücher wie Ein Baby kommt davon aus, dass Sex in der Schwangerschaft grundsätzlich riskant ist, auch wenn rhetorisch gefragt wird: »Warum sollte nun dieser Vorgang, durch den Sie schwanger wurden, jetzt zu einem Ihrer größten Probleme werden?«. Dann zählen die Autorinnen achtzehn Faktoren auf, die das Liebesleben beeinträchtigen können, einschließlich der Angst, dass der Penis eine Infektion verursacht. Ertappt sich frau dennoch dabei, Sex zu haben, empfehlen sie einen neuen absoluten Tiefpunkt des Multitaskings: Man solle den Sex nutzen, um die Beckenbodenmuskeln zu trainieren und sich so auf die Geburt vorbereiten.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Frauen gibt, die alle diese Ratschläge beherzigen. Wahrscheinlich geht es den meisten wie mir: Sie verinnerlichen einfach nur den besorgten Tonfall und die dazugehörige Geisteshaltung. Selbst wenn man im Ausland lebt, ist das ansteckend. Angesichts der Tatsache, dass ich extrem beeinflussbar bin, kann ich froh sein, eine gewisse räumliche Distanz dazu zu haben. Vielleicht hilft mir das, die Elternschaft aus einer anderen Warte zu betrachten.
    Schon jetzt dämmert mir, dass das Aufziehen eines Kindes in Frankreich völlig anders aussehen wird. Sitze ich mit Babybauch in Paris im Café, springt niemand herbei, um mich vor den Gefahren von Koffein zu warnen. Im Gegenteil, man zündet sich direkt neben mir eine Zigarette an! Das Einzige, was mich Fremde fragen, wenn sie meinen Bauch bemerken, ist: »Vous attendez un enfant«? Ich brauche eine Weile, bis ich begreife, dass sie nicht glauben, ich sei mit einem sechsjährigen Schulschwänzer verabredet.
    Ich erwarte ein Kind. Wahrscheinlich ist das das Bedeutendste, was ich je getan habe. Trotz meiner Zweifel an Paris hat es auch seine Vorteile, an einem Ort schwanger zu sein, an dem ich praktisch immun gegen Einmischung von außen bin. Obwohl Paris eine der kosmopolitischsten Städte der Welt ist, bin ich dort irgendwie komplett außen vor: Mit französischem Namedropping kann ich nichts anfangen, genauso wenig wie mit irgendwelchen Schulnamen oder anderen kleinen Hinweisen, die einem Franzosen sofort die soziale Stellung und Bedeutung seines Gegenübers signalisieren. Und da ich Ausländerin bin, kann man meinen sozialen Status ebenfalls nicht einschätzen.
    Als ich meine Sachen gepackt habe und nach Paris gezogen bin, habe ich nicht geglaubt, dass das von Dauer ist. Jetzt mache ich mir langsam Sorgen, dass Simon etwas zu gern Ausländer ist. Da er in so vielen verschiedenen Ländern aufgewachsen ist, ist das für ihn völlig selbstverständlich. Er gesteht mir, dass er sich vielen
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