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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Autoren: Walloth
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war der Ansicht, es müsse sich ein Splitter aus dem Boden der schiefen Ebene durch das Umdrehen der wuchtigen Masse losgerissen haben. Daraufhin wurde das Werk von neuem eingestellt. Dem Beamten auf den Knien der Statue ward eine scharfe Rüge vom Könige überbracht, Ramses sei äußerst ungehalten über die schlechte Ausführung des Planes. Dem armen Oberbeamten schwindelten die Sinne, Schweiß bedeckte seine Glieder, er versuchte ein letztes Aushilfsmittel. Mit dem Mut der Verzweiflung gab er den Befehl, alle Arbeiter sollten zu gleicher Zeit mit der Anstrengung aller Kräfte das Bild von seinem Platze bewegen, auch, wenn dabei der Boden des schiefen Weges Not litte, es käme jetzt nur darauf an, der Statue über diese eine unglückliche Stelle wegzuhelfen. Das Ziehen begann, aber der steinerne Ramses blieb unbeweglich. Die Vögte suchten die Kraft der Ebräer mittels der Geißel zu erhöhen, alle Muskeln schwellten an, dumpfes Ächzen entrang sich dem Busen Tausender, die Stricke spannten sich an bis zum Zerreißen, Fluchen und Beten ertönte in wunderlichem Gemisch – da – bewegte sich das Bild? Ja, es bewegte sich wohl, das heißt, es erbebte von oben bis unten, darauf erscholl ein dumpfer Krach, der Boden des schiefen Weges war zerrissen.
    »Weiter, rasch weiter,« schrie der Mann auf den Knien des Bildes. Jedoch, als dieser dumpfe Knall ertönt war, hatten die Juden, bis ins Innerste erschreckt, mit den Stricken nachgegeben. Nun erst bemerkten sie das Gefährliche dieses Nachlassens, denn die ungeheuere Masse begann sich langsam nach rückwärts zu bewegen. Bestürzt riß nun jede Faust, um das drohende Hinabrollen aufzuhalten, heftig nach oben; dadurch entstand in der Verwirrung eine solche Ungleichartigkeit des Ziehens, daß die Steinmasse in Schwankung kam und ihr hölzerner Weg knirschte und bebte. Nun aber verloren die Ebräer völlig den Mut, ein betäubendes Toben und Durcheinanderschreien machte jeden Befehl des Oberbeamten unverständlich. Einige ließen vom Ziehen ab, andere zogen, der Oberbeamte faßte sich verzweiflungsvoll an die Stirn – da – ein sinnlähmender Donner, ein einziger, gewaltiger Aufschrei aus tausend Kehlen, und die hölzerne Ebene sank samt ihrem Steinkoloß in sich selbst zusammen. Bis nach Memphis hin hatten sie den Donner vernommen; der Spaziergänger blieb stehen, seinen Nachbar zu fragen, was dies Rollen bedeutete; dem Sänftenträger stockte der Atem, dem Fischer am Ufer des Nil entsank seine Angel, der Brettspieler hielt im Zug inne, als dies Dröhnen in sein Zimmer drang; die Toten in ihren unterirdischen Wohnungen mußten emporfahren aus ihrem tausendjährigen Schlummer, der alte Nil schlug Wellen, gerüttelt von der erschrockenen Erde. Die mit dem Leben Davongekommenen standen zu Bildsäulen erstarrt ratlos da und sahen auf den Ort der Verwüstung. Einige Augenblicke hindurch war die ganze Szene bedeckt von einen. riesig aufwirbelnden Staubvorhang, erst als dieser gesunken, konnte man die Größe des Unglücks ermessen. Die mit rasender Schnelligkeit hinabgeschnellten Stricke hatten Hunderte von Menschen von den Stufen geschleudert; die Walzen und Rollen, umpackt von Ketten, zertrümmerten bei ihrem Sturze, was ihnen in den Weg kam; die schiefe Brücke zerquetschte alles Lebende, das sich über oder unter ihr befand; die ganze Pyramide glich einem Berg von Trümmern, zerschmetterten Leibern und Blut. Hilferufe, Todesröcheln, Befehle zerrissen die Luft. Die Unbeschädigten versuchten die Verwundeten unter den Trümmern hervorzuwühlen, was ihnen jedoch selten gelang. Der König schickte sofort einen Boten nach Memphis, Ärzte und Sänften zu holen, denn obgleich die Zerstörung hauptsächlich das verachtete Volk der Ebräer getroffen, fühlte Ramses in diesem Augenblick, als Zeuge des ungeheuren Vorfalls, Mitleid mit dem Leben seiner Arbeiter, die von seinem eigenen Bild getroffen sich blutend im Staube oder auf der Treppe wälzten. –
    Isaak hatte sogleich, nachdem der Donner des stürzenden Bildes verhallt war, seinen Vater neben sich vermißt. Mit Gewalt schüttelte er sich die Schauer des Entsetzens, die ihn überrieselten, von den Schultern, sprang die Stufen der Pyramiden hinab und wühlte verzweiflungsvoll, den Namen seines Vaters vor sich hinrufend, in dem Trümmersand und den Leichenmassen, die sich am Fuße des Gebäudes aufgetürmt hatten. Endlich nach langem Suchen gab seinem Weheruf eine schwache Stimme, die unter einem zerbrochenen Rollwerk
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