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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Autoren: Walloth
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höhnte das Weib und spie dem Flehenden vor die Füße.
    Länger vermochte sich Isaak nicht zu beherrschen. Ein Sprung, ein Schlag und das Tongefäß lag zerschmettert am sandigen Boden. Schreiend jagte die Ägypterin davon. Der Brunnen war in dieser Jahreszeit fast ausgetrocknet; der Ebräer versuchte deshalb, das Wasser, das noch in den Scherben des zerbrochenen Gefäßes haftete, seinem Vater auf die Lippen zu träufeln. Kaum hatte er es so weit gebracht, daß der Ohnmächtige matt die Augen aufzuschlagen vermochte, um sie sofort unter leisem Wimmern wieder zu schließen, als allmählich näherkommender Hufschlag sein Herz in Schrecken setzte, Häscher möchten ihn verfolgen. Er sprang auf. Richtig, ein Zug nahte dem Brunnen, einige Sänften voraneilend. Erwartungsvoll beobachtet unser Freund den Zug. Schon dachte er daran, rasch mit seiner Bürde davonzueilen; allmählich bei schärferem Hinblicken jedoch schien es ihm, als wenn die Herankommenden nicht an Verfolgung dachten. Er beschloß, ruhig den Verlauf der Dinge abzuwarten. Bald entdeckte er, daß er umsonst Befürchtungen gehegt; die Männer näherten sich friedlich dem Brunnen, in ihren Sänften lagen einige durch den Sturz des Kolosses getroffene ägyptische Aufseher, die sie nach Memphis zu tragen den Befehl hatten. Der Anführer des Zuges wendete sich an Isaak.
    »Noch viele Verwundete warten auf unsere Hilfe,« begann er, »wir dürfen nicht rasten; unter den Trümmermassen liegt noch mancher Brave verborgen, der des Ausgrabens mit Verzweiflung harrt. Wir vertrauen deinem Schutz einstweilen diese drei Männer an, bis wir hierher zurückkehren. Überwache die Unglücklichen, es sind Aufseher, alle drei dem Tode nahe!«
    Man setzte die Sänften im Schatten der Palmen zu Boden. Isaak, des Gehorsams gewöhnt, nickte stumm vor sich hin; die Ägypter kehrten zur Pyramide zurück, bald machte sie gelb aufwirbelnder Sand unsichtbar. Gleichgültig schweiften die Augen des Ebräers über die drei Sänften – es waren ja ägyptische Aufseher, die dort mit dem Tode rangen, es waren ja seine Peiniger, seine Feinde – sollte er Mitleid mit ihnen fühlen? Sie waren ja nun kraftlos, die Geißel konnten sie nicht mehr schwingen, keine Befehle mehr geben! Alle lagen sie regungslos, wie Leichen unter dem grünen Baldachin der Palmen, Blutflecken auf den Gewändern, die Mienen ausdruckslos nach den Blättern gerichtet, die Augen glanzlos. Zuweilen huschte ein schmerzhafter Zug über eines der Gesichter. Isaak sah, wie sich eine große Fliege, deren Stich äußerst schmerzhaft, dem einen der Aufseher auf die Stirne setzte, um das Blut seiner Wunde, welches unter der Binde hervorquoll, zu schlürfen; der Hilflose versuchte das Tier zu verscheuchen; sein Stich verursachte ihm, wie es schien, unnennbare Qual. Der Jude aber sah teilnahmlos zu, wie sich der Elende abmühte. Dem anderen war der Verband von dem Arme gesunken, sein tropfendes Blut rötete das Gras; der Ebräer tat, als bemerke er nichts davon. Nun arbeitete sich der dritte Verwundete unter einer Last von Binden und Kissen hervor, schlug die geröteten Augen auf und stammelte ermattet: »Wasser!«
    Isaak sah gleichmütig zu ihm hinüber; da verwandelten sich seine bis dahin starren Züge. In seinem Auge leuchtete eine dämonische Lust, er lachte dem keuchend sich Abmühenden höhnisch zu.
    »Wasser,« lallte dieser noch einmal.
    Isaak sprang auf.
    »Du bist's,« rief er hinüber. »Du! Set! der meinen Vater schlug! Gott gab dich in meine Hände! O wie gütig ist Gott! Sieh her, elender Ägypter, hier liegt der, den du schlugst – erkennst du uns?«
    »Isaak,« hauchte Set, »reiche mir Wasser, ich werde dir's vergelten. Mein Kopf brennt, mein Eingeweide steht in Flammen, hab' Erbarmen.«
    »Erbarmen? Hattest du Erbarmen mit mir und meinem Vater?«
    »Ich befehle es dir, reiche mir Wasser!«
    »Befiehl so lange du willst und sieh zu, wer dir gehorcht.«
    Isaak wandte sich ab. Einige Minuten verstrichen lautlos. Endlich streckte der Aufseher noch einmal seine Arme aus.
    »Verzeihe mir, Isaak,« wimmerte er, »es ist wahr, ich bin euch ein strenger Herr gewesen, doch es soll besser werden. Ich verspreche es dir. Ich bin nun machtlos in deine Hände gegeben, wirst du deine Gewalt mißbrauchen? Bedenke, daß man dich zur Rechenschaft ziehen wird, tust du mir Übles.«
    »Was kümmert's mich,« murmelte der Ebräer, »kann ich nur meinen Rachedurst für diesen Augenblick befriedigen, später mögen sie mit mir
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