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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Autoren: Walloth
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flüsterte sie ihm zu, er aber wandte ihr verachtungsvoll den Rücken. Sie durchbrach den Kreis ihrer Zuschauer und rief ihm nach: »Fliehst du mich, weil ich eine Jüdin bin? Oh! ihr Ägypter haßt zwar die ebräischen Männer, aber ihre Frauen liebt ihr, wenn sie schön sind.«
    Der junge Mann gab den lachenden Zuschauern durch eine unwillige Bewegung der Hand zu verstehen, daß er das Weib nicht kenne.
    »Ich kenne dich, glaub' mir!« lachte sie, ihre blendenden Zähne blinken lassend, »du heißest Menes und bist der Sohn der reichen Aso, der Witwe des verstorbenen Oberhofmeisters unseres zu den Göttern eingegangenen Königs Seti I. Euer Palast liegt am Nilkanal, am südlichen Ende der Stadt, da, wo der Weg nach dem Mörissee führt. Willst du nicht bei uns bleiben, Menes? Ich liebe dich!«
    Menes schritt, ohne die Jüdin noch eines Blickes zu würdigen, davon; ihm nach erscholl das Gelächter der Spottenden. Der unangenehme Eindruck dieser Szene war in der Seele des jungen Mannes, sobald ihn der volksbelebte Teil der Stadt aufgenommen hatte, verwischt. Aber andere Schatten stiegen in seinem weichen, zu träumerischer Schwärmerei neigenden Gemüte auf. Er war der Sohn einer vornehmen Frau, deren Gatte am Hofe des verstorbenen Königs zu Theben eine hohe Stellung bekleidet. Seine Mutter, an Glanz und königliche Pracht gewohnt, hielt auf äußeren Rang. Sie ging mit dem ehrgeizigen Gedanken um, ihrem einzigen Sohne die Stufen zu den höchsten Ämtern zu bahnen, sie wollte ihn in der Stellung des Vaters sehen, dem Herzen des Königs am nächsten; zu diesem Zweck hatte sie beschlossen, daß Menes nach Ablauf seiner Studien, deren er in Memphis bei mehreren Priestern oblag, sich zum König nach Theben verfügen solle, um dort einstweilen als niederer Hofbeamter in die Reihen der fürstlichen Diener einzutreten, bis ihm allmählich der Rang seines verstorbenen Vaters zuteil würde. Daß dieser ihm zuteil würde, daran war kein Zweifel; nur liebte es Ramses II., seine Großen zuvor zu prüfen, ehe sie die höchsten Würden bekleideten. Die vornehme Ägypterin war übrigens mit dem Betragen ihres Sohnes keineswegs zufrieden. Wie oft mußte sie die schmucklose Einfachheit seines Anzugs tadeln, die einem künftigen Höfling nicht zieme; wie oft beklagte sie sich über die Farblosigkeit seines Kopftuchs, das sie gerne buntgestreift gesehen hätte; wie oft ermahnte sie ihn, Ringe mit kostbaren Steinen zu tragen, die sie ihm schenkte; er stieß sie verdrießlich von sich, die Kostbarkeiten und ging am liebsten halbnackt, nicht etwa um die Blicke der Frauenwelt auf seinen tadellosen Wuchs, seinen zartgeschmeidigen Muskelbau zu lenken, sondern weil er, wie er sagte, nicht gerne in seinen Bewegungen gehemmt sei. Allerdings schmückte ihn sein bräunlich angehauchter Körper mehr, als jedes Kleidungsstück; darauf aber achtete er ebensowenig, als seine Mutter; sie wollte Farben sehen. Wie oft erwähnte sie mit einem tadelnden Seitenblick, er ginge mit Musikanten, Malern und Bildhauern (in ihrem Auge Gesindel) lieber um, als mit hochgestellten Männern von vornehmer Erziehung und wohlgesetztem Betragen. Schon als Knabe war es die Lieblingsbeschäftigung ihres Sohnes, seiner Phantasie durch Zeichnen Ausdruck zu geben. Papyrusrollen und Wände mußten seinem Stifte herhalten; oft hatte ihn der Priester dabei ertappt, daß er auf die heiligen Rollen, die er ihm zum Studieren vorgelegt, Osirisköpfe, kleine Nilpferde, Mumien u. dgl. mit flüchtiger Hand gemalt. Zwar von seiner Handschrift waren alle seine Lehrer hingerissen, denn die Hieroglyphen schienen unter seinen Fingern zu leben, jedoch über seinen Glaubenseifer in bezug auf heilige Dinge hatten sie eine weniger günstige Meinung. Der Knabe frug ihnen zu viel. Die priesterliche Weisheit mußte oftmals verstummen vor diesen scharf eindringenden Fragen, welche schonungslos Irrtümer und Unmöglichkeiten der Religion aufdeckten, diese sogar manchmal leisem Spott preisgaben. Allen war es klar, Menes sei dazu bestimmt, die Tempel der Könige mit Wandmalereien zu bedecken, aber wie durfte solches geschehen? War doch der Vater des Kindes Hofbeamter gewesen! Wie konnte der Sohn einen anderen Beruf ergreifen! Dieser Zwang nährte einen verbitternden Groll im Herzen des Kindes und steigerte ihn zur Verzweiflung in der Brust des Jünglings. Verzweiflung im Busen schritt unser Held weiter, immer weiter von Straße zu Straße. Wenn er irgendwo eine schön bemalte Wand, eine hübsche
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