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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
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überzeugt das Gericht von der außergewöhnlichen Schwere des Verbrechens«, sagte Wallander.
    Die Tochter schüttelte den Kopf. Sie zweifelte daran, wie Wallander im Grunde auch. Schwedische Gerichte überraschten ihn häufig negativ durch ihre Unentschlossenheit, wenn es darum ging, ein Verbrechen als schwer oder weniger schwer einzustufen.
    »Fassen Sie die Täter«, sagte sie, als sie sein Büro verließ. »Lassen Sie sie nicht ungeschoren davonkommen.«
    Wallander führte selbst die einleitenden Verhöre mit den beiden festgenommenen Polen durch. Beide waren jung, nicht viel älter als zwanzig Jahre. Sie betrachteten ihn höhnisch und gaben durch ihre Dolmetscher zu verstehen, dass sie mit dem Waffendiebstahl nichts zu tun hätten, sich zur fraglichen Zeit gar nicht in Schweden aufgehalten hätten und nicht bereit wären, weitere Fragen zu beantworten. Aber Wallander blieb kühl, obwohl er einen starken Impuls unterdrücken musste, den beiden ein paar kräftige Ohrfeigen zu verabreichen. Es gelang ihm nach und nach, einen von ihnen weichzukneten, der eines Tages im November plötzlich erste Eingeständnisse machte. Danach ging es schnell. Bei einer Hausdurchsuchung in einer Wohnung in Staffanstorp fand die Polizei mehr als die Hälfte der gestohlenen Waffen, bei einem zweiten Zugriff in einem Stockholmer Vorort weitere vier. Als der Prozess begann, an einem Tag im Dezember, fehlten nurmehr drei der verschwundenen Waffen. Am selben Morgen versammelte Wallander in einem Sitzungsraum des Präsidiums seine Mannschaft zu Kaffee und Kuchen. Er hatte ein paar lobende Worte sagen wollen, kam aber davon ab, und sie sprachen hauptsächlich über die laufenden Tarifverhandlungenund ihre Unzufriedenheit mit den ständig neuen Verordnungen und willkürlich wechselnden Prioritäten.
     
    Wallander feierte Weihnachten mit Lindas Familie. Er betrachtete sein Enkelkind, das noch immer keinen Namen hatte, mit Verwunderung und einer stillen Freude. Linda behauptete, das Mädchen sei ihm ähnlich, besonders die Augenpartie, aber Wallander sah keine Ähnlichkeiten, sosehr er sich anstrengte.
    »Das Mädchen muss doch irgendwie heißen«, sagte er, als sie Heiligabend zusammensaßen und Wein tranken.
    »Das kommt schon«, sagte Linda.
    »Wir glauben, dass der Name sich eines Tages von selbst ergibt«, sagte Hans.
    »Warum heiße ich Linda«, fragte sie plötzlich. »Woher kommt der Name?«
    »Das war ich«, sagte Wallander. »Mona wollte einen anderen Namen, ich weiß nicht mehr, welchen. Aber für mich warst du von Anfang an eine Linda. Dein Großvater dagegen meinte, du solltest Venus heißen.«
    »Venus?«
    »Du weißt ja, dass er manchmal nicht ganz gescheit war. Magst du deinen Namen nicht?«
    »Ich habe einen guten Namen«, antwortete sie. »Und du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wenn wir heiraten, werde ich den Namen nicht wechseln. Ich werde nie eine Linda von Enke.«
    »Vielleicht sollte ich den Namen Wallander annehmen«, sagte Hans. »Aber ich glaube, meine Eltern wären außer sich.«
    Zwischen Weihnachten und Neujahr sortierte Wallander alle Papiere, die sich im Laufe des Jahres angesammelt hatten. Vor Neujahr schaffte er immer Platz für das kommende Jahr. Anfang Januar sollte das Urteil im Prozess gegen die Waffenräuber gefällt werden. Wallander hatte mit demStaatsanwalt gesprochen, der die Höchststrafe für die Angeklagten beantragt hatte, und die Verteidiger hatten dem nicht viel entgegensetzen können. Wallander würde Hanna Hanssons Tochter in die Augen sehen können, wenn er sie wiedersah.
    Es kam, wie er angenommen hatte. Die Richter erwiesen sich als streng. Für die beiden Polen, die den Mord und die schwere Körperverletzung begangen hatten, lautete die Strafe auf acht Jahre Gefängnis. Wallander war davon überzeugt, dass die Berufung vor der höheren Instanz zu keiner nennenswerten Strafmilderung führen würde.
    Den Abend nach der Urteilsverkündung wollte Wallander zu Hause verbringen und einen Film sehen. Er hatte sich eine Parabolantenne geleistet und konnte jetzt auf zahlreichen Kanälen Filme sehen. Er steckte seine Dienstpistole ein, um sie zu Hause zu reinigen. Sein Schießtraining hatte er schleifen lassen und wusste, dass er spätestens Anfang Februar eine Schießübung absolvieren musste. Sein Schreibtisch war zwar nicht leer, aber er hatte keine dringenden Ermittlungen zu führen. Lieber jetzt die Gelegenheit wahrnehmen, dachte er. Heute sehe ich mir einen Film an, morgen ist es
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