Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
über das, was sie erzählte.
    Linda hatte Hans von Enke bei gemeinsamen Freunden in Kopenhagen anlässlich einer Verlobungsfeier kennengelernt. Er kam aus Stockholm, hatte aber zuletzt in Kopenhagen bei einer Finanzmaklerfirma gearbeitet, die sich vor allem dem Aufbau von Hedgefonds widmete. Auf Linda hatte er hochnäsig gewirkt, und sie hatte sich über ihn geärgert. Ziemlich ungestüm erklärte sie ihm, sie sei eine einfache Polizistin mit niedrigem Lohn, die keine Ahnung davon habe, was ein Hedgefonds war. Sprach sie es überhaupt richtig aus? Es endete damit, dass sie sich auf eine lange nächtliche Wanderung durch Kopenhagen begaben und sich wieder verabredeten. Hans von Enke war zwei Jahre jünger als Linda und hatte auch noch keine Kinder. Beide hatten schon vom Beginn ihrer Beziehung an, zwar unausgesprochen, aber doch ganz klar, beschlossen, Kinder zu haben.
    Zwei Tage nach der großen Enthüllung hatte Linda am Abend mit dem Mann, mit dem sie zusammenleben wollte, ihren Vater besucht. Hans von Enke war groß und mager, hatte schütteres Haar und klarblaue Augen mit einem durchdringenden Blick. Wallander fühlte sich in seiner Gesellschaft sogleich unsicher, empfand seine Art und Weisesich auszudrücken als fremd und fragte sich, warum Linda sich für diesen Mann entschieden hatte. Als sie erzählt hatte, dass er dreimal so viel verdiente wie Wallander und dazu noch ein Anrecht auf Bonuszahlungen von bis zu einer Million hätte, dachte Wallander bedrückt, das Geld könnte sie gelockt haben. Der Gedanke empörte ihn derart, dass er Linda bei ihrem nächsten Treffen direkt danach fragte. Sie saßen in einem Café in Ystad, und sie war so wütend geworden, dass sie ihm eine Zimtschnecke an den Kopf warf und das Lokal verließ. Er war ihr nachgelaufen und hatte sich entschuldigt. Nein, es war nicht das Geld, erklärte sie, sondern eine große und echte Liebe, wie sie sie noch nie erlebt hatte.
    Wallander beschloss, seinen zukünftigen Schwiegersohn mit milderen Augen zu betrachten. Übers Internet und mithilfe des Bankangestellten, der in Ystad seine dürftigen Bankgeschäfte betreute, machte Wallander sich kundig über die Finanzfirma, bei der Hans von Enke angestellt war. Er wusste nun, was Hedgefonds waren, und lernte eine Menge Dinge, die angeblich zu den Grundlagen moderner Finanzberatung zählten. Als Hans von Enke ihn nach Kopenhagen einlud, nahm er die Einladung an und machte einen Rundgang durch die aufwendig ausgestatteten Geschäftsräume in der Nähe des Rundetårn, wo die Firma residierte. Er ließ sich von Hans von Enke zum Mittagessen einladen, und als er nach Ystad zurückkehrte, war das Minderwertigkeitsgefühl verflogen. Vom Auto aus rief er Linda an und sagte ihr, er habe angefangen, den Mann ihrer Wahl zu schätzen.
    »Er hat einen Fehler«, sagte Linda. »Er hat zu wenig Haare. Ansonsten ist er in Ordnung.«
    »Ich freue mich auf den Tag, an dem ich ihm mein Büro zeigen kann.«
    »Das habe ich schon getan. Er hat mich letzte Woche besucht. Hat dir keiner davon erzählt?«
    Natürlich hatte niemand Wallander etwas erzählt. Am Abend saß er am Küchentisch, den Bleistift in der Hand, und rechnete aus, was Hans von Enke im Jahr verdiente. Die Summe verschlug ihm den Atem. Wieder überkam ihn ein ungutes Gefühl. Er selbst verdiente nach all den Jahren vierzigtausend Kronen im Monat. Das hielt er für ein gutes Gehalt. Aber nicht er wollte heiraten, sondern Linda. Mochte das Geld ihr Glück bringen oder nicht, es ging ihn nichts an.
    Im März zogen Linda und Hans zusammen in ein großes Haus in der Nähe von Rydsgård, das der junge Finanzmakler gekauft hatte. Er pendelte nach Kopenhagen, und Linda arbeitete weiter wie zuvor. Als sie eingerichtet waren, lud Linda ihren Vater zu einem Abendessen ein. Hans’ Eltern würden an dem Wochenende zu Besuch sein und wollten ihn natürlich gern kennenlernen.
    »Ich habe schon mit Mama gesprochen«, sagte sie.
    »Kommt sie?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Linda zuckte die Schultern. »Ich glaube, sie ist krank.«
    »Krank? Wieso?«
    Linda sah ihn lange an, bevor sie antwortete: »Sie trinkt. Ich glaube, sie trinkt mehr denn je.«
    »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Du weißt vieles nicht.«
     
    Natürlich nahm Wallander die Einladung zu dem Essen an, bei dem er Hans von Enkes Eltern kennenlernen sollte. Obwohl er intensiv mit dem Waffenraub beschäftigt war, nahm er sich die Zeit, mit Linda darüber zu sprechen, was ihn erwartete. Der Vater, Håkan
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher