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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer
Autoren: Henning Mankell
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Aber es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, worüber er eine ganze Woche mit ihr reden sollte.
    Sonst gab es niemanden.
    Also würde er zu Hause bleiben. Für das Geld würde er statt dessen einen anderen Wagen kaufen. Sein Peugeot begann Schwächen zu zeigen. Als er jetzt in Richtung Malmö fuhr, hörte er ein hartnäckiges ungutes Geräusch vom Motor.
     
    Um kurz nach zehn war er im Malmöer Vorort Rosengård. Die Beerdigung war für elf Uhr angesetzt. Die Kirche war ein Neubau. Ein paar Jungen schossen direkt daneben mit einem Fußball gegen |21| eine Mauer. Er blieb im Wagen sitzen und sah ihnen zu. Es waren sieben. Drei von ihnen waren schwarz. Drei andere sahen auch aus, als stammten sie aus Einwandererfamilien. Dann war da noch einer mit Sommersprossen und hellen üppigen Haaren. Die Jungen spielten mit großer Energie und unter viel Gelächter. Für einen kurzen Augenblick spürte Wallander heftige Lust mitzumachen. Aber er blieb sitzen. Ein Mann kam aus der Kirche und steckte sich eine Zigarette an.
    Wallander stieg aus und trat zu dem rauchenden Mann. »Findet hier die Beerdigung von Stefan Fredman statt?« fragte er.
    Der Mann nickte. »Sind Sie ein Verwandter?«
    »Nein.«
    »Wir rechnen nicht damit, daß viele kommen«, sagte der Mann. »Ich nehme an, Sie wissen, was er angerichtet hat.«
    »Ja«, sagte Wallander. »Ich weiß.«
    Der Mann betrachtete seine Zigarette.
    »Für so einen ist es bestimmt das beste, wenn er tot ist.«
    Wallander war empört. »Stefan war noch nicht einmal achtzehn. Für einen so jungen Menschen ist es nie das beste, tot zu sein.«
    Wallander merkte, daß er gebrüllt hatte. Der rauchende Mann sah ihn verwundert an. Wallander schüttelte wütend den Kopf und wandte sich um. In diesem Moment fuhr der schwarze Leichenwagen vor der Kirche vor. Der braune Sarg mit einem einsamen Kranz wurde herausgehoben.
    Auf einmal wurde ihm klar, daß er Blumen hätte mitbringen sollen. Er ging zu den fußballspielenden Jungen. »Weiß einer von euch, ob es hier in der Nähe ein Blumengeschäft gibt?«
    Einer der Jungen zeigte in eine Richtung.
    Wallander zog seine Brieftasche heraus und suchte nach einem Hunderter. »Lauf hin und kauf einen Blumenstrauß«, sagte er. »Rosen. Und beeil dich. Du kriegst einen Zehner.«
    Der Junge sah ihn fragend an. Aber er nahm das Geld.
    »Ich bin Polizist«, sagte Wallander. »Ein gefährlicher Polizist. Wenn du mit dem Geld abhaust, kriege ich dich auf jeden Fall.«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Du hast ja keine Uniform«, sagte er in gebrochenem Schwedisch. »Außerdem siehst du nicht |22| aus wie ein Polizist. Jedenfalls nicht wie einer, der gefährlich ist.«
    Wallander holte seinen Ausweis heraus. Der Junge musterte ihn eine Weile. Dann nickte er und machte sich auf den Weg. Die anderen spielten weiter.
    Vielleicht kommt er trotzdem nicht zurück, dachte Wallander finster. Es ist lange her, daß Respekt vor einem Polizisten hierzulande eine Selbstverständlichkeit war.
     
    Aber der Junge kam mit Rosen zurück. Wallander gab ihm zwanzig Kronen. Zehn, weil er sie ihm versprochen hatte, und zehn dazu, weil der Junge wirklich zurückgekommen war. Es war natürlich viel zuviel. Kurz darauf hielt ein Taxi vor der Kirche. Er erkannte Stefans Mutter. Sie war gealtert und so mager, daß sie fast ausgemergelt wirkte. Neben ihr stand der Junge, der Jens hieß und ungefähr sieben Jahre alt war. Er war seinem Bruder sehr ähnlich. Seine Augen waren groß und weit aufgerissen. Die Angst von damals stand noch immer darin. Wallander trat zu ihnen und begrüßte sie.
    »Es sind nur wir«, sagte sie. »Und der Pastor.«
    Es wird ja wohl auf jeden Fall ein Kantor da sein, der Orgel spielt, dachte Wallander. Aber er sagte nichts.
    Sie gingen in die Kirche. Der Pastor war jung, er saß zeitunglesend auf einem Stuhl direkt neben dem Sarg. Wallander spürte, wie Anette Fredman plötzlich seinen Arm packte.
    Er verstand sie.
    Der Pastor steckte die Zeitung weg. Sie nahmen rechts vom Sarg Platz. Sie hielt seinen Arm noch immer fest.
    Zuerst hat sie ihren Mann verloren, dachte Wallander. Björn Fredman war ein widerwärtiger und brutaler Mensch, der sie schlug und seine Kinder in Todesangst versetzte. Aber er war trotz allem der Vater ihrer Kinder. Dann wird er von seinem eigenen Sohn getötet. Anschließend stirbt ihre Älteste, Louise. Und jetzt sitzt sie hier, um ihren Sohn zu begraben. Was bleibt ihr noch? Ein halbes Leben? Wenn überhaupt?
    Jemand kam in die Kirche.
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