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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte
Autoren: Henning Mankell
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und Ann-Britt Höglund gerannt kamen.
    »Gib Alarm!« schrie Wallander. »Wo ist Svedberg, verdammt? Ich versuche, ihnen mit dem Wagen zu folgen.«
    Im selben Augenblick setzte der Regen ein, und binnen einer Minute prasselte ein Wolkenbruch auf sie nieder. Wallander lief zu seinem Auto und versuchte gleichzeitig zu überlegen, welchen Weg sie genommen haben konnten. Die Sicht war schlecht, obwohl |490| die Scheibenwischer mit der schnellsten Stufe arbeiteten. Er glaubte schon, er habe sie verloren, als er sie plötzlich entdeckte. Sie fuhren auf der Straße in Richtung des Saltsjöbad-Hotels. Wallander hielt sich in angemessenem Abstand. Er wollte sie nicht in Panik versetzen. Außerdem fuhr das Moped sehr schnell. Er überlegte fieberhaft, wie er das Ganze stoppen könnte. Als er gerade über Telefon mitteilen wollte, wo er sich befand, passierte es. Vielleicht war es das viele Wasser, das sich schon auf der Fahrbahn gesammelt hatte. Wallander sah, wie das Moped schlingerte. Er bremste. Das Moped raste frontal gegen einen Baum. Das Mädchen wurde direkt gegen den Baum geschleudert. Stefan Fredman landete irgendwo neben ihr.
    Scheiße, dachte Wallander. Er hielt mitten auf der Straße und lief zu dem Moped.
    Er erkannte sofort, daß das Mädchen tot war. Er vermutete, daß ihr Genick gebrochen war. Ihr weißes Kleid war eigentümlich hell gegen das ganze Blut, das über ihr Gesicht rann. Stefan Fredman war fast unverletzt geblieben. Wallander konnte nicht erkennen, was auf seinem Gesicht Farbe und was Blut war. Dagegen sah er jetzt einen vierzehnjährigen Jungen vor sich. Er sagte nichts. Sah nur zu, wie Stefan Fredman neben seiner Schwester auf die Knie fiel. Es goß in Strömen. Der Junge begann zu weinen. In Wallanders Ohren klang es wie ein Heulen. Er hockte sich neben den Jungen.
    »Sie ist tot«, sagte er. »Wir können nichts mehr tun.«
    Stefan Fredman sah ihn mit seinem verzerrten Gesicht an. Wallander stand schnell auf, weil er befürchtete, der Junge könne sich auf ihn stürzen. Aber nichts geschah. Der Junge heulte nur.
    Irgendwo hinter ihnen im Regen hörte er die Bereitschaftswagen. Erst als Hansson neben ihm stand, merkte er, daß er selbst angefangen hatte zu weinen.
    Wallander überließ alle Arbeit den anderen. Er erzählte nur Ann-Britt Höglund kurz, was geschehen war. Als er Per Åkeson erblickte, nahm er ihn mit zu seinem Wagen. Der Regen trommelte aufs Dach. »Es ist vorbei«, sagte Wallander.
    »Ja«, sagte Per Åkeson. »Es ist vorbei.«
    »Ich fahre morgen in Urlaub«, sagte Wallander. »Ich sehe zwar |491| ein, daß eine Menge Berichte zu schreiben sind. Aber ich fahre auf jeden Fall.«
    Per Åkesons Antwort kam ohne Zögern. »Tu das«, sagte er. »Fahr.«
    Per Åkeson stieg aus dem Wagen. Wallander dachte, er hätte ihn fragen müssen, wie es mit seiner Reise in den Sudan stände. Oder war es Uganda?
    Er fuhr nach Hause. Linda war nicht da. Er legte sich in die Badewanne. Als er sich abtrocknete, hörte er sie kommen und die Tür zuschlagen.
    An diesem Abend erzählte er, was eigentlich geschehen war. Und wie er sich fühlte.
    Dann rief er Baiba an.
    »Ich dachte schon, du würdest nie mehr anrufen«, sagte sie und machte keinen Hehl aus ihrer Verärgerung.
    »Es tut mir leid«, sagte Wallander. »Ich hatte so schrecklich viel zu tun.«
    »Mit Verlaub, ich finde, das ist eine sehr schlechte Entschuldigung.«
    »Ich weiß. Aber ich habe keine andere.«
    Keiner von ihnen sagte noch etwas. Schweigen wanderte zwischen Riga und Ystad hin und her.
    »Wir sehen uns morgen«, sagte Wallander schließlich.
    »Ja«, erwiderte sie. »Vielleicht.«
    Dann legten sie auf. Wallander spürte wieder die Faust im Magen. Vielleicht würde sie nicht kommen?
    Hinterher packten Linda und er ihre Koffer.
    Kurz nach Mitternacht hörte es auf zu regnen.
    Es duftete frisch, als sie auf den Balkon traten.
    »Der Sommer ist so schön«, sagte sie.
    »Ja«, antwortete Wallander. »Er ist schön.«
     
    Am folgenden Tag fuhren sie gemeinsam nach Malmö. Dort trennten sie sich und winkten einander nach.
    Er schaute auf das Wasser, das am Rumpf des Schiffes entlangrauschte. Wie abwesend bestellte er Kaffee und Kognak.
    |492| In zwei Stunden würde die Maschine mit Baiba an Bord landen.
    Eine Art Panik ergriff ihn.
    Er wünschte plötzlich, die Überfahrt nach Kopenhagen könnte noch viel länger dauern.
    Aber als sie kam, stand er doch da.
    Erst in diesem Augenblick verschwand Louise Fredmans Bild aus seinem
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