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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte
Autoren: Henning Mankell
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wußte er noch immer nicht, was sie von ihm wollte.
    »Du machst nächste Woche Urlaub«, sagte sie. »Ich habe gehört, du willst mit deinem Vater nach Italien fahren.«
    »Das ist sein Traum«, antwortete Wallander. »Vermutlich ist es unsere letzte Gelegenheit. Er ist fast achtzig.«
    »Mein Vater ist fünfundachtzig«, gab sie zurück. »Manchmal ist er vollkommen klar im Kopf. Und an anderen Tagen erkennt er mich nicht wieder. Aber ich habe eingesehen, daß man von seinen Eltern nicht loskommt. Plötzlich sind die Rollen vertauscht. Kinder werden die Eltern ihrer Eltern.«
    »Das habe ich so ähnlich auch schon gedacht«, sagte Wallander.
    Sie verschob ein paar Papiere auf ihrem Schreibtisch. »Eigentlich habe ich kein besonderes Anliegen«, sagte sie. »Aber mir ist plötzlich aufgegangen, daß ich noch gar keine richtige Gelegenheit gehabt habe, dir für deinen Einsatz im Sommer zu danken. Deine Ermittlungsarbeit war in vieler Hinsicht vorbildlich.«
    Wallander sah sie fragend an. War das ihr Ernst?
    »So sehe ich das aber nicht«, sagte er. »Ich habe viele Fehler gemacht und die ganze Ermittlung in eine falsche Richtung gelenkt. Es hätte auch schiefgehen können.«
    »Die Fähigkeit, eine Ermittlung gut zu leiten, beruht häufig darauf, daß man weiß, wann man das Standbein wechseln muß«, erwiderte sie. »Daß man in eine Richtung schaut, die man gerade erst abgeschrieben hat. Die Ermittlung war in vieler Hinsicht vorbildlich. Nicht zuletzt aufgrund eurer Ausdauer. Die Fähigkeit, unkonventionell zu denken. Ich möchte, daß du das weißt. Ich habe läuten hören, daß der Reichspolizeichef bei verschiedenen Gelegenheiten seine Zufriedenheit zum Ausdruck gebracht hat. Vermutlich wirst du eingeladen, an der Polizeihochschule Vorlesungen über diese Ermittlung zu halten.«
    Wallander bäumte sich sofort auf. »Das kann ich nicht. Frage |500| einen anderen. Ich kann nicht vor Menschen sprechen, die ich nicht kenne.«
    »Darüber reden wir noch einmal, wenn du wieder zurück bist«, sagte sie lächelnd. »Mir war es jetzt nur wichtig, dir zu sagen, was ich von deiner Arbeit denke.«
    Sie stand auf zum Zeichen, daß die kurze Besprechung beendet war.
    Auf dem Flur dachte Wallander, daß sie es tatsächlich ernst gemeint hatte. Auch wenn er versuchte, ihr Lob von sich zu weisen, machte es ihn froh. Er würde in Zukunft keine Probleme haben, mit ihr zusammenzuarbeiten.
    Er holte sich im Eßraum Kaffee und wechselte ein paar Worte mit Martinsson, dessen eine Tochter Mandelentzündung hatte. Wieder in seinem Büro, rief er beim Friseur an und machte einen Termin ab. Vor ihm auf dem Tisch lag eine Liste notwendiger Besorgungen, die er am Tag zuvor geschrieben hatte. Er wollte das Präsidium schon um zwölf Uhr verlassen, um die noch ausstehenden Dinge zu erledigen.
    Er hatte gerade ein paar Papiere unterschrieben, die auf seinem Schreibtisch lagen, als sein Telefon klingelte. Es war Ebba in der Anmeldung. »Du hast Besuch«, sagte sie. »Jedenfalls glaube ich, daß er für dich ist.«
    Er runzelte die Stirn.
    »Du glaubst?«
    »Hier steht ein Mann, der kein Wort Schwedisch spricht. Er hat einen Brief bei sich. Auf englisch. Darauf steht Kurt Wallander.«
    Wallander seufzte. Eigentlich hatte er keine Zeit. »Ich komme«, sagte er und stand auf.
    Der Mann, der in der Anmeldung auf ihn wartete, war untersetzt. Er hatte dunkle Haare und kräftige Bartstoppeln. Seine Kleidung war sehr einfach. Wallander trat auf ihn zu und begrüßte ihn. Der Mann antwortete auf spanisch oder vielleicht portugiesisch und reichte ihm den Brief.
    Wallander las ihn durch. Er wurde von einem Gefühl der Ohnmacht gepackt. Er sah den Mann an, der vor ihm stand. Dann gab er ihm noch einmal die Hand und bat ihn mitzukommen. Er holte Kaffee und nahm ihn mit in sein Büro.
    |501| Der Brief war von einem Priester namens Estefano geschrieben.
    Der Priester bat Kurt Wallander, dessen Namen er von Interpol erfahren hatte, Pedro Santana, dessen Tochter vor einigen Monaten in dem fernen Land im Norden auf so traurige Weise ums Leben gekommen war, ein wenig von seiner kostbaren Zeit zu widmen.
    Der Brief schilderte die ergreifende Geschichte eines einfachen Mannes, der das Grab seiner Tochter in einem fremden Land sehen wollte. Er hatte den größten Teil seiner Habe verkauft, um die weite Reise bezahlen zu können. Leider sprach er kein Englisch. Aber sie würden einander sicher trotzdem verstehen.
    Schweigend tranken sie ihren Kaffee. Wallander war
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