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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin
Autoren: Henning Mankell
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Schlafen war er in einen abgelegenen Winkel des Trafalgarparks gegangen. Früh im Morgengrauen, ungefähr zur selben Zeit, als Nelson Mandela am Fenster stand, war er so hoch geklettert, wie er es für notwendig hielt, und hatte sich bereit gemacht. Alles stimmte mit |531| der Karte und den Instruktionen überein, die er von Franz Malan in Hammanskraal erhalten hatte. Er war mit der Organisation zufrieden. In der Nähe gab es keine Menschen, der kahle Abhang war nicht gerade ein Ausflugsgebiet. Der offizielle Weg auf den dreihundertfünfzig Meter hohen Gipfel schlängelte sich von der anderen Seite des Berges herauf. Er hatte sich nie auf ein Fluchtauto verlassen. Er fühlte sich freier, wenn er sich zu Fuß bewegte. Wenn alles vorüber war, würde er schnell den Hang hinunterlaufen und sich unter das rasende und Rache für Mandela fordernde Volk mischen. Dann würde er Kapstadt verlassen.
    Er wußte jetzt, daß er Mandela töten sollte. Es war ihm seit dem Tag klar, als Franz Malan ihm Ort und Zeit des Attentats genannt hatte. Er hatte in den Zeitungen gelesen, daß Nelson Mandela am Nachmittag des 12.   Juni im Green Point Stadium reden würde. Er sah die ovale Arena, die in ungefähr siebenhundert Meter Entfernung unter ihm lag. Die Entfernung beunruhigte ihn keineswegs. Sein Zielfernrohr und das weittragende Gewehr stellten seine Anforderungen an Präzision und Kraft vollauf zufrieden.
    Er hatte nicht besonders darauf reagiert, daß Nelson Mandela sein Ziel war. Der erste Gedanke war, daß er darauf auch von selbst hätte kommen können. Wenn diese verrückten Buren die Möglichkeit haben wollten, Chaos im Land anzurichten, mußten sie zuerst Nelson Mandela beseitigen. Solange er da war und reden konnte, würden die schwarzen Massen die Selbstkontrolle behalten. Ohne ihn war es eher ungewiß. Mandela hatte keinen möglichen Nachfolger.
    Was ihn selbst betraf, so würde Sikosi Tsiki sich für ein ihm persönlich zugefügtes Unrecht rächen. An und für sich war ja nicht Nelson Mandela dafür verantwortlich, daß man ihn aus dem ANC ausgeschlossen hatte. Aber er war der Präsident, und so konnte man ihn dennoch als denjenigen betrachten, an dem man sich rächen mußte.
    Sikosi Tsiki sah auf die Uhr.
    Nun brauchte er nur noch zu warten.
     
    |532| Georg Scheepers und Kommissar Borstlap landeten am Freitag vormittag kurz nach zehn Uhr auf dem Malan-Flugplatz in der Nähe von Kapstadt. Sie waren müde und hohläugig, nachdem sie seit ein Uhr in der Nacht versucht hatten, Informationen über Sikosi Tsiki zu sammeln. Verschlafene Kriminalisten waren aufgeschreckt worden, Computerspezialisten für die verschiedenen Datenbänke hatten sich eingefunden, die unter dem Anzug noch den Pyjama trugen, in dem sie von Polizeiwagen abgeholt worden waren. Aber als es Zeit war, sich zum Flugplatz zu begeben, war das Resultat niederschmetternd. Sikosi Tsiki fand sich in keinem Register. Es hatte auch niemand je von ihm gehört. Er war für alle eine unbekannte Person. Um halb acht waren sie auf dem Weg zum Jan-Smuts-Flugplatz bei Johannesburg. Während des Fluges hatten sie immer verzweifelter versucht, eine Strategie zu erarbeiten. Ihnen war klar, daß ihre Möglichkeiten, den Mann namens Sikosi Tsiki zu stoppen, äußerst gering, ja fast null waren. Sie hatten keine Ahnung, wie er aussah, sie wußten absolut nichts über ihn. Nach der Landung verschwand Scheepers sofort, um Präsident de Klerk anzurufen. Er wollte ihn bitten, an Nelson Mandela zu appellieren, den Auftritt am Nachmittag abzusagen. Erst nach einem Wutanfall und der Drohung, sämtliche Polizisten auf dem Flugplatz verhaften zu lassen, gelang es ihm, einen Raum zu bekommen, in dem er ungestört telefonieren konnte. Es dauerte fast fünfzehn Minuten, bis er Präsident de Klerk endlich am Apparat hatte.
    Er schilderte so knapp wie möglich, was in der Nacht geschehen war. Aber de Klerk ging nicht auf seinen Vorschlag ein und meinte, es sei sinnlos. Mandela würde nie bereit sein, seine Rede abzusagen. Außerdem hätten sie sich ja schon einmal in Ort und Zeit geirrt. Warum nicht auch diesmal? Mandela verfüge jetzt über einen besseren Personenschutz. Mehr könne der Präsident der Republik im Augenblick nicht tun. Als das Gespräch vorüber war, hatte Scheepers das unbestimmte Gefühl, de Klerk sei immer noch nicht bereit, Nelson Mandela mit aller Konsequenz vor einem Attentat zu schützen. Konnte das denn möglich sein? fragte er sich aufgebracht. Habe ich mich in ihm
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