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Walküre

Walküre

Titel: Walküre
Autoren: Craig Russell
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Harvestehuder Weg zu und benutzte die Geisel weiterhin als Schild. Der Mann zitterte heftig, und es fiel ihr schwer, ihn mit sich zu zerren. Sie schaute sich um und sah, wie zwei Polizisten hinter einem geparkten Auto in Deckung gingen. Anke schoss auf die Fenster, und das Glas zersplitterte. Sie feuerte drei Kugeln in den Tank und dann einen weiteren in den Asphalt, wo sich das Benzin bereits sammelte. Die Funken entzündeten das Benzin, und der hintere Teil des Autos erhob sich in die Luft, während der Tank explodierte. Sie hörte Schreie hinter dem Wagen, und andere Beamte eilten herbei. Weiter oben am Harvestehuder Weg kam ein Auto mit quietschenden Bremsen zum Stillstand, nachdem ein Schutzpolizist der Fahrerin ein Haltezeichen gegeben hatte.
    Anke ließ die Geisel los und sprintete auf das Auto zu. Plötzlich drehte sie sich um und jagte der Geisel eine Kugel in den Magen. Der Mann sackte zusammen und spie Blut auf die nasse Straße. Dann begann er zu schreien. Die Polizisten würden sich um ihn kümmern müssen.
    Während sie in Richtung des Autos lief, hörte sie das Feuer von Automatikwaffen. Etwas klatschte hinten an ihre Wade, und ein wütender Hornissenschwarm aus Kugeln umgab sie, aber sie rannte weiter. Die Polizisten mussten ihr Feuer einschränken. Links von ihr standen Häuser, und ein Irrläufer konnte einen Unbeteiligten treffen. Das war der größte Nachteil für ihre Verfolger: Sie mussten darauf achten, wer starb oder verletzt wurde. Anke brauchte es nicht.
    Ein uniformierter Polizist zu ihrer Linken drehte sich um und griff nach seiner Waffe. Sie lief weiter, die Beretta mit stocksteifem Arm vorgestreckt, feuerte zweimal und traf den Schutzpolizisten, der, wie sie wusste, keine kugelsichere Weste trug, in die Brust. Die Fahrerin des Wagens saß mit offenem Mund da. Anke riss die Tür auf und zerrte die junge Frau aus dem VW Polo. Dann gab sie zwei Schüsse auf ihre Beine ab – ein weiteres Opfer, das ihre Verfolger bremsen würde. Anke legte jäh den Rückwärtsgang ein und raste den Harvestehuder Weg hinauf. Weitere Schüsse ertönten, und die Windschutzscheibe zersplitterte, aber Anke stoppte nicht. Wenn sie getroffen wurde, hatte sie Pech gehabt. Ihre einzige Chance bestand darin, sich so rasch wie möglich zu entfernen. Sie riss den schleudernden Wagen auf der feuchten Straße um 180 Grad herum und trat das Gaspedal erneut durch. In ihrem Rückspiegel war Blaulicht zu sehen.
    Die Polizei war dicht hinter ihr.
    »Das Wichtigste bei einer Verfolgungsjagd«, hatte Onkel Georg sie gelehrt, »ist die Tatsache, dass die Polizei fast immer gewinnt. Lass sie glauben, dass sie ein Verfolgungsrennen machen, und steig dann so schnell wie möglich aus dem Fahrzeug aus.«
    Sie nahm die Kurve in den Pöseldorfer Weg mit kreischenden Reifen. Dann bog sie scharf nach rechts in eine Seitenstraße – eine Sackgasse – ab, hielt an der Bordkante und parkte rückwärts hinter einem anderen Auto ein. Sie sah, wie ein Blaulicht am Ende der Straße blitzte. Ein zweiter Streifenwagen kam dahinter fast völlig zum Stillstand, und die Beamten schienen in die Sackgasse zu spähen, bevor sie dem ersten Wagen folgten.
    Anke stieg rasch aus, aber sie spürte, dass ihr rechtes Bein ihr kaum noch gehorchte. Sie spürte die Feuchtigkeit in ihrem Schuh und im Innern des Hosenbeins. Doch jetzt konnte sie sich noch nicht um die Wunde kümmern, sondern musste schnell die größtmögliche Distanz zwischen sich und den VW Polo bringen.
    Der Riemen ihrer Umhängetasche lag immer noch über ihrer Brust. Sie nahm das halb leere Magazin der Beretta heraus und drückte ein volles in den Schacht. Ohne zu hinken, verließ sie die ruhige Straße und bog plötzlich, durch das Tor eines der Häuser, nach links ab. Es war eine gepflegte Villa, die man in mehrere Wohnungen umgebaut hatte. Anke ging auf die Haustür zu, als hätte sie an jedem Tag ihres Lebens das Gleiche getan, und überflog die Namen an der Klingeltafel. Auf einem der Schilder standen zwei verschiedene Familiennamen. Sie vermutete, dass es sich um ein unverheiratetes jüngeres Paar ohne Kinder handelte. Beide waren wahrscheinlich bei der Arbeit. Sie drückte auf die Klingel. Keine Antwort – genau das, was siesich gewünscht hatte. Dann betätigte sie alle anderen Knöpfe, bis sich jemand meldete. Es war die Stimme einer älteren Frau. »Zustellung«, sagte Anke.
    Das Schloss wurde durch ein Summen geöffnet. Anke stieß die Tür auf und schob ihre Stiefelspitze in
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