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Wald-Schrat

Titel: Wald-Schrat
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Weißt du Näheres?«
    »Nein, ich bin nur zufällig vorbeigekommen und habe es bemerkt, deshalb suchte ich nach dem erstbesten, der darauf gequält reagieren konnte.«
    Er warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. »Wie reizend. Du machst mich noch wahnsinnig.«
    »Danke«, sagte sie und lief rot an, wie mit Kirschzuckerguss überzogen. Die Farbe erstreckte sich auch auf Kleidung und Haar; dünne Ausläufer strahlten sogar in die Luft rings um die Dämonin.
    Der erbärmliche Zustand des Pantinenbaums schien darauf hinzudeuten, dass Waldi krank, vielleicht sogar tot war. Was mochte geschehen sein? Gestern war mit Waldi noch alles in bester Ordnung gewesen! Er hatte sich sogar die Nymphe eines Frauenschuhbaums geschnappt, deren Slipper ihr besondere Leichtfüßigkeit verliehen – so wie die Sandalen von Forrests Sandelbaum ihm hervorragenden Halt schenkten und Waldis Pantinen dessen Hufe schützten. Es war ein wildes Haschmich, das in ein kaum weniger wildes Habdich überging, denn so ist das mit den Faunen und den Nymphen: Sie jagen einander, bis sie schließlich zusammenkommen, und das feiern sie auf eine Weise, die auf keinen Fall von Kindern beobachtet werden darf. All das tun sie aber hauptsächlich deshalb, weil es schnell langweilig wird, den ganzen Tag allein auf einem Baum zu sitzen.
    Nun erinnerte sich Forrest, dass die slipperbewehrte Nymphe Waldi immer wieder entschlüpft war, sodass Forrest die beiden schließlich aus den Augen verlor. Währenddessen hatte die Freundin der Nymphe, die auf einer Eiche wohnte und Kara Oke hieß, vor der Hintergrundmusik des Windes, der durch die Bäume wehte, sehr hübsch gesungen. Forrest war dadurch abgelenkt gewesen. Natürlich jagte er anschließend Kara, und natürlich floh sie vor ihm, allerdings nicht allzu schnell, weil sie noch immer sang. Deshalb fing er sie rasch, und das feierten sie auf die übliche Art – wobei Kara ununterbrochen weiterträllerte. Das war eine interessante Erfahrung gewesen, weil sie jede Einzelheit des geteilten Erlebnisses besang und daraus ein musikalisches Kunstwerk schuf. Danach kehrte sie, zufrieden mit der Wirkung ihres Liedes, zu ihrer Eiche zurück. Weil sich keine andere Nymphe blicken ließ, hatte sich Forrest für die Nacht auf seinen Baum begeben. Und nun war sein Freund verschwunden.
    »Was willst du nun unternehmen?«, erkundigte sich Mentia.
    Unternehmen? – Aber sie hatte wahrscheinlich Recht: Etwas musste er wohl unternehmen. Nur was? »Hast du eine Idee?«
    »Du könntest den Fußspuren folgen. Vielleicht findest du dann heraus, was ihnen zugestoßen ist.«
    »Ja, das klingt wirklich vernünftig«, stimmte er zu.
    Die Dämonin wurde schwarz wie Ruß. »Das wollte ich nicht!«
    Forrest begab sich nun wirklich auf die Suche. Den Spuren zu folgen, fiel ihm nicht schwer: Die Slipperabdrücke der Nymphe waren, wie sie selbst auch, geformt wie eine Sanduhr, und Waldis Pantinenabdrücke waren tief und pelzig. Die Spur schlängelte sich um die Bäume, wo die Nymphe ziemlich gewagte Ausweich- und Ablenkungsmanöver gemacht hatte. Die Jagd ist es, die zählt; Faune und Nymphen lieben das Rennen fast ebenso sehr wie das Tanzen, und je aufregender die Jagd, desto besser ist am Ende die Feier. Forrest erinnerte sich, einmal einer Nymphe begegnet zu sein, die schlecht gestimmt war, weil ihr Baum an einem Pilz litt. Sie hatte einfach nur herumgestanden, und kein Faun hatte sie berührt, weil ihr Verhalten jedem Faun die Lust nahm; tatsächlich braucht eine Nymphe, die von einem bestimmten Faun in Ruhe gelassen werden will, nur vor ihm stehen zu bleiben, und schon beachtet er sie nicht mehr. Manchmal neckt eine Nymphe auch einen Faun, indem sie vorgibt, uninteressiert zu sein und in dem Moment, in dem er sich abwendet, davonspringt. Wenn sie ihn damit hinter sich her lockt, ist sie im Vorteil, und er muss tun, was immer sie will. Genau genommen ist das zwar genau das Gleiche, was auch er will, doch andere Faune verspotten ihn gnadenlos dafür, dass er sich anführen ließ.
    Allmählich langweilte sich Mentia, die neben Forrest schwebte. »Möchtest du denn jetzt, dass ich gehe?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete er geistesabwesend.
    »Fein.« Sie blieb, wo sie war. Wahrscheinlich hätte Forrest sie besser zum Bleiben auffordern sollen; dann wäre sie sicher gewesen, dass er nichts Interessantes plante.
    Die Spur schwenkte zur Leere, dem nicht allzu weit entfernten Gebiet, aus dem es keine Rückkehr gibt. Selbstverständlich hütete sich
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