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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis
Autoren: Sarah Stoffers
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von hinten die Arme um das Mädchen und lehnte ihre Stirn an das dunkle Haar, unfähig zu sagen, wer von ihnen beiden mehr Halt brauchte. »Es ist vorbei«, versicherte sie dem ägyptischen Mädchen. »Nach all der Zeit ist es endlich vorbei.«
    Doch natürlich war es das nicht. Ein Toter verlangte selbst auf einem Friedhof nach einer Erklärung, besonders dann, wenn ihm eine Kugel in der Brust steckte. Mr Frost ließ nach der Polizei telegrafieren. Der zweite Bogenschütze und Anubis hatten gegen die Übermacht der heranrückenden Dienerschaft keine Chance gehabt. Sie wurden bis zum Eintreffen der Constables zu den Zwiebeln und dem Apfelwein in den Vorratskeller des Pfarrhauses gesperrt. Allein Horus war auf Julians Pferd entkommen und er hatte das Totenbuch mit sich genommen. Doch wie Julian ganz richtig erraten hatte, war die Liste in dem Einband von Rachels Buch ein doppelter Hinweis gewesen. Der Köcher hatte das Totenbuch mit den Zaubersprüchen enthalten, doch das kostbare Rechnungsbuch der Schatten war unter der Lederhülle verborgen gewesen. Julian hatte vor seinem Aufbruch einige Minuten darauf verwendet, es in der Gesindestube von Wainwood mit dem Küchenmesser aus seinem Versteck herauszutrennen. Die Papyrusrollen lagen jetzt ausgebreitet vor Jane auf dem Tisch in der Bibliothek von Wainwood House.
    Die finanziellen Transaktionen waren darauf mit sicherem Pinselstrich in Hieroglyphen festgehalten worden, genauso wie vor Jahrtausenden die Vorratslisten und angehäuften Reichtümer des Pharaos. Sie hatte die Enden der Papyrusrollen mit mehreren aufgeschlagenen Büchern beschwert und die Notizen zu ihrer Übersetzung lagen um ihren Stuhl verteilt auf dem Teppich. Die zarten Blätter mit Rachels Handschrift lagen zum Abgleich neben dem erbeuteten Rechnungsbuch ausgebreitet und machten damit endgültig jeden Versuch zunichte, auf dem überfüllten Tisch noch ein Teegedeck unterzubringen. Jane hätte lieber an der wuchtigen Tafel der Gesindestube gearbeitet als an dem zierlichen Rokokotisch, doch Mr Frost hatte sich das verbeten.
    Ihre Entführung lag inzwischen einen Tag zurück, und ihre Rettungsmannschaft war zurück nach London gefahren, um bei der Polizei ihre Aussage zu Protokoll zu geben. Natürlich würde die Familie Goodall versuchen, Penelopes Anteil an diesem Abenteuer zu vertuschen. Doch Jane ging davon aus, dass die Aussicht, ihre jüngere Tochter entgegen allen Erwartungen mit Lord Nyles zu verloben, die Enttäuschung der Eltern aufwiegen würde. Seine Lordschaft hatte den Kampf unbeschadet überstanden, auch wenn Jane zu Ohren gekommen war, dass Nyles angesichts des Bogenschützen, den er vor der Kapelle mit einem Schuss niedergestreckt hatte, die Überreste seines Dinners auf den Gräbern erbrochen hatte.
    Der Arzt, der den Totenschein für Ambrose White ausgestellt hatte, war gezwungen gewesen, die blutigen Wunden, die der Falke mit seinen Krallen in Julians Arm geschlagen hatte, zu nähen, und Samuel hatte mit einigem Nachdruck darauf bestanden, ihm dabei zu assistieren. Jane hatte sich von dem Doktor bestätigen lassen, dass sie unter Schock stand und den Strapazen einer Reise noch nicht wieder gewachsen war. Auf diese Weise blieben ihr ein paar Tage der Ungestörtheit auf Wainwood, die dringend nötig waren, um wieder Ordnung in das Durcheinander ihrer Gedanken und Gefühle zu bringen.
    Zu ihrer Überraschung war es eine Erleichterung gewesen, nach Wainwood zurückzukehren. Der vertraute Geruch von Seifenlauge, Möbelpolitur und Essensdünsten im Dienstbotentrakt war genauso tröstlich gewesen wie ihre kahle Dachkammer und die knarrenden Stufen der steilten Treppe. Auf dem Speicher lauerten keine Gespenster mehr. Von dem Glockenturm aus konnte sie über den ganzen Park hinweg sehen, bis zu der Familienkapelle am Rande des Anwesens, von der aus Mr Frost durch den Geheimgang zu ihrer Rettung aufgebrochen war.
    Doch das zweite Bett in ihrer Kammer war leer, und obwohl Mrs Chambers jedes Gerede über all das Geschehene verboten hatte, war die Geschichte von Janes Abenteuern flüsternd im ganzen Haus verbreitet worden. Dass nur Bruchstücke bekannt waren, schien den Reiz der Geschichte nur noch zu steigern und ihr zu immer neuen Ausschmückungen zu verhelfen. Auch wenn sich das Gerede dieses Mal nicht gegen sie richtete und ihr die anderen Mädchen beim Essen jetzt einen Platz freihielten, wusste Jane doch, dass sie nicht hierbleiben konnte. Die strengen Vorschriften jagten ihr keine Angst mehr
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