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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis
Autoren: Sarah Stoffers
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wissen wir, dass die Papyrusrollen noch in dem Köcher sind?«, fragte Anubis.
    Julian zügelte die Fuchsstute. Undendlich behutsam zupfte er einen einzelnen Bogen Papyrus heraus, gefolgt von einem zweiten und einem dritten. Bei dem vierten Papyrusbogen stieß Anubis einen heftigen Fluch in einer fremden Sprache aus. Julian hielt inne, als würde er der Anspannung auf dem Friedhof erst jetzt wieder gewahr werden.
    »Lassen Sie Miss Swain los«, verlangte er. »Und kommen Sie zu mir herüber. Dann können Sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass das Totenbuch noch immer vollständig ist.«
    Eine Sekunde lang glaubte Penny, dass Julians Rechnung aufgehen würde. Doch das war nur zum Teil der Fall. Horus ließ Jane los und ging gemeinsam mit dem Totengott Anubis auf Julian zu. Das Dienstmädchen war mit wenigen Schritten an Penelopes Seite, doch die Bogenschützen zielten noch immer auf sie. Ambrose White sah vom anderen Ende des Friedhofs zu ihnen herüber. Gleich würden die beiden vermeintlichen Götter Julian erreichen. Penelope erkannte, dass ihre letzte Frist verstrichen war. Näher waren die Entführer dem Totenbuch seit zwanzig Jahren nicht gekommen. Dies war der Augenblick, auf den sie so lange geduldig gewartet hatten. Sie sah, wie Horus dem Pferd in die Zügel griff und Anubis Schwert in die Höhe fuhr. Das Tier scheute wiehernd auf und der Falke stob mit einem schrillen Schrei in den Himmel. Dann war Julian plötzlich nicht mehr zu sehen.
    Von einer Sekunde auf die andere zerbarst die Stille des Friedhofs. Wie Fragmente eines zerbrochenen Spiegels brannten sich die Einzelheiten in Penelopes Gedächtnis. Wie Splitter schillerten sie vor ihrem inneren Auge, ohne je wieder ein perfektes Ganzes bilden zu können. Ein Schuss peitschte durch die klare Luft, und Penelope warf sich zu Boden, noch während sie Rubens Rufen hörte.
    Der Aufprall raubte ihr den Atem, doch sie lag nicht allein vor der Grabkapelle. Einer der beiden Bogenschützen war haltlos wie ein schwerer Sack neben ihr zusammengebrochen. Sein rotes Blut sickerte dicht vor Penelope in das weiche grüne Gras. Der Pfeil des anderen Schützen vibrierte zitternd neben Jane im Holz der Tür, genau dort, wo sie gerade noch gestanden hatte. Als würden sich die Toten aus ihren Gräbern erhe ben, begann jemand von innen an der alten Kapellentür zu rütteln. Das Schloss knackte vernehmlich, als der Schlüssel umgedreht wurde. Dann sprang die Tür knarrend auf.
    Penelope rappelte sich auf die Knie. Sie sah sich panisch nach dem anderen Schützen um, doch der ägyptische Krieger zielte längst nicht mehr auf sie. Er hatte Ruben zwischen den Grabsteinen entdeckt. Der junge Lord schien für ihn eine Gefahr zu sein, die schwerer wog als die beiden Mädchen. Auf allen vieren versuchte Penny den Bogen des leblosen Schützen an sich zu bringen, um sich endlich selbst zu verteidigen. Doch als sie seine Finger von dem glatten Holz lösen wollte, schlug der Mann die Augen auf. Penelope schrie auf und Jane trat beherzt nach der Hand des Verletzten.
    Unbemerkt von den beiden Mädchen, war eine schwarz gewandete Gestalt an sie herangetreten. Mr Frosts makelloses Aussehen hatte auf dem Weg durch den unterirdischen Geheimgang aus den Zeiten der Reformation merklich gelitten. Er trug Spinnenweben in seinem Haar, feuchte Erde an seinen Schuhen und Staub auf seinem tadellos gebügelten Anzug. Der Griff des Butlers war knochig und fest, als er Penny auf die Füße half. »Darf ich vorschlagen, dass Sie sich in Sicherheit bringen, Lady Penelope?«, erkundigte er sich höflich. »Ich bin mir sicher, dass der Pfarrer inzwischen aufgewacht ist. Seine Frau serviert vorzügliche Rosinenbrötchen.«
    Hinter ihm strömten keine blassen Kämpfer im Leichenhemd aus der Kapelle, sondern die Gärtner, die Stallknechte und die Laufburschen von Wainwood House. Sie waren mit Knüppeln und altmodischen Büchsen bewaffnet. Ein Junge trug sogar noch die Fackel, die ihnen auf dem Weg durch den unterirdischen Geheimgang geleuchtet hatte. Sein Nachthemd war unordentlich in seine Hose gestopft und seine Wangen glühten.
    »Sie haben Julian angegriffen«, stotterte Penelope weit weniger förmlich als der Butler. »Und Ruben …«
    »Die Burschen sind bereits dabei, Mr Rushforth und seiner Lordschaft zu Hilfe zu eilen«, versicherte der Butler ihr. »Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, wollte ich gerade nach ihnen sehen.«
    »Natürlich«, murmelte Penny schwach. Sie spürte, wie Jane nach ihrer
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