Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe
Autoren: Lea Singer
Vom Netzwerk:
gehen?«
    »Doch. Ich hasse Kaffeehäuser.«
    Pauline starrt ihn an.
    »Aber was sagt denn Ihre … Verlobte dazu … wenn sie nie ausgehen kann?«
    »Ich habe keine …« – er spitzt die Lippen und flötet – »… Verlobte.«
    Die beiden Schwestern rücken noch etwas näher aneinander. Ihre Schultern berühren sich, auch ihre Oberarme, die Hände haben beide ergeben in den Schoß gelegt. »Ja aber was machen Sie … also Sie sind doch ein gesunder junger …«
    Er fällt Karoline ins Wort. »Wenn ich es brauche, dann zahle ich eins der Mädel dafür, die vor der Akademie |32| als Modell anstehen. Das stiehlt mir auch am wenigsten Zeit.«
    Die Stille, die sich nun auftut, gefällt ihm. Ihm ist, als hätte er ein Fenster aufgestoßen und könnte wieder richtig atmen.
    Die nächste halbe Stunde schweigen alle drei.
    Aus dem Hintergrund sind Streicher zu hören, die ihre Instrumente stimmen.
    »Wir geben heute einen Faschingsball«, sagt Karoline. Ihre Schwester stößt sie unmerklich mit dem Oberarm an.
    »Mögen Sie Walzer?« fragt sie deswegen nur.
    »Nein«, sagt er. »Vom Walzer wird mir schlecht.«
    Er streicht den Pinsel aus in dem modrig braunschwarzen Hintergrund des Bildes. Eine düstre Höhle, vor der die beiden Tauben sitzen. Nichts ist zu sehen von dem falschen Rokoko, das dort eigentlich aufgeht, von den Rocaillen, den Spiegeln und Konsolen.
    »Beim Tanzen?«
    »Nein, beim Zuhören. Und zwar nicht nur beim ›Delirien-Walzer‹.«
    Aus dem Ballsaal dringen die ersten Takte eines Walzers. »Leichtes Blut« von Johann Strauß, dem Vater.
    Die beiden auf ihrer Bank wiegen sich leicht im Rhythmus. »Aber das, das ist doch einfach wunderschön«, sagt Karoline verträumt. »Wunderschön. Da sieht man doch schon die schwingenden Röcke und die Rüschen und die Herren im Frack und die schönen Paare vor sich, wie sie …«
    »Ich sehe«, sagt der Maler leise, »nur lauter Wollfäden, fleischfarbene, schmierige, mit Zucker und Fett verkrustete widerliche Wollfäden.«
    |33| Die Schwestern wenden wie Vögel die Köpfe, ohne den Körper zu bewegen, und starren einander an.
    »Wann sind Sie denn fertig, Herr Gerstl?« fragt die ältere.
    »Jetzt. Jetzt gerade.« Er tritt einen halben Meter zurück und macht eine einladende Geste: »Bitte.«
    Taumelnd, als hätte man sie aus dem Tiefschlaf gerissen, bewegen die beiden sich an der Staffelei vorbei und sehen sich ihr Porträt an.
    Wieder diese Stille, die ihm wohltut, dieses Gefühl von frischer Zugluft.
    »Das sollen wir sein?«
    »Das sind Sie«, sagt er.
    »Aber … aber das ist hier doch so ein hübscher heller Salon mit Rokokokommoden und Figuren. Und bei Ihnen sitzen wir in einer grausigen Höhle. Die ist ja wie ein Grab.«
    »Gut«, sagt der Maler. »Gut erkannt.«
    Karoline und Pauline haben sich hilfesuchend an der Hand gefaßt. »Meine Schwester«, sagt die ältere, »sieht aus wie ein Gespenst, ganz leblos. Sie hat doch so schöne rosige Wangen.«
    »Die muß ich übersehen haben«, sagt Gerstl.
    Karoline richtet sich auf. Ihre Stimme ist nun fest und hart. »Was Sie gemalt haben, das sind Ihre Hirngespinste und nicht die Töchter Fey. Nehmen Sie dieses Machwerk mit. Entfernen Sie es aus unserem Blickfeld.«
    Die Walzerklänge aus dem Salon werden lauter. Es muß jemand eine Zwischentür geöffnet haben. Schritte sind zu hören, Gekicher, leises Gläserklirren.
    Wie auf einen Befehl drehen sie sich genau gleichzeitig um.
    |34| Hand in Hand gehen sie zu der hohen weißlackierten Flügeltüre am Ende des Raums.
    Eine halbe Stunde später tanzt Pauline im Arm ihres künftigen Ehemanns die ersten Runden. Er hat zur Uniform eine Augenmaske aufgesetzt, es ist schließlich Fasching. Sie lehnt sich zurück in seinen kräftigen Arm. »Der ist völlig verrückt, dieser Kerl«, sagt sie. »Meinst du, er ist gefährlich?«
    »Warum fragst du? Den seid ihr doch los.«
    Sie sieht ihn von unten an, sieht den Zucker vom Krapfen in seinem dunkelbraunen Schnurrbart und merkt, wie ruhig dieser Mann sie stimmt. »Na, er wohnt ganz in der Nähe. Ein Atelier hat er in der Haubenbiglgasse und ein weiteres Zimmer mit Küche direkt ums Eck, auf der Hohen Warte. Im Therese-Krones-Haus.«
    Er faßt ihre Rechte im Satinhandschuh fester. »Das paßt ja. Da sind wir ja schon im richtigen Milieu.«
    »Du meinst, weil sie den Liebhaber von der Krones damals aufgehängt haben?«
    Er lächelt. »Solche Gestalten erledigen sich von selbst. Wirst schon sehen. Der wird sich auch selber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher