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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
Autoren: Klaus Scherer
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Hälfte der begonnenen Amtszeit des Präsidenten, besuchen wir die beiden noch einmal. Und erfahren, dass sich George getäuscht hat: Denn auch sie haben beide Obama zum Präsidenten gewählt. Er nach einigem Hadern. Sie mit so viel Wohlwollen, wie sie dann sagt, dass sie ihm in so schwieriger Zeit auch eine zweite Amtszeit gönnen würde.
    Und auch ich hatte falsch gelegen. Den erwarteten Missmut Deutschland gegenüber habe ich unter Durchschnittsamerikanern nirgends vorgefunden. Im Gegenteil: Das Ausmaß ihrer Verbundenheit mit uns überrascht mich bis heute. Die Zahl derer, die mit Respekt und Wehmut von ihrer Soldatenzeit, von eigenen Reisen oder deutschen Besuchern berichten, wenn nicht von deutschen Vorfahren, ist größer, als ich je erwartet hatte. Nie schienen sie bereit, diese Nähe wegen eines strittigen Feldzugs zu opfern. Lieber opferten sie Bush und Rumsfeld.
    Meeting George W. Bush
     
    Die Deutschen haben sich damals an George W. Bush nicht nur gewöhnt, sondern sich längst mit ihm abgefunden. Die Schröder-Regierung hat ihm, mit dem Rückhalt der Wählermehrheit, die Gefolgschaft offen aufgekündigt, Marshall-Fund und Bündnistreue hin oder her. Der brave Nachkriegs-Neffe des großen, reichen Onkels Amerika, so schreiben Leitartikler, sei erwachsen geworden. Es sei ja eigentlich auch an der Zeit gewesen.
    Die Nachrichtenredaktionen bestellen kaum noch Berichte zur Tagespolitik aus Washington. Sie ist nicht neu. Bald würde es ohnehin anders werden. Dann würde in Amerika gewählt und das Bush-Gefolge samt seinen Kriegstreibern den Laufpass bekommen, denken die meisten. Es gilt als sicher, dass der nächste Amtswechsel das Weiße Haus den Demokraten wieder öffnen wird – und erstmals einer Frau: Hillary Clinton.
    Schon die Vorwahlen dürften dann erfahrungsgemäß wieder reichlich Sendezeit auffressen. Bis dahin könne man warten. Um noch mit Bush-Geschichten ins Programm zu kommen, ist mithin Kreativität gefragt. Oder mindestens ein Exklusivtermin an seiner Seite. Wir bieten gleich drei davon an, in North Dakota, Ohio und Florida. Wir treffen George W. Bush.
    Als wir durch kaum besiedeltes Flachland den Stadtrand von Minot erreichen, protzt sein weißer Sattelschlepper raumgreifend vor einem Motel. Geladen hat er Bühnentechnik, denn in North Dakota steht der kulturelle Höhepunkt des Jahres an: die »Country Fair«, eine in Amerikas Flächenstaaten beliebte Mischung aus Landwirtschaftsmesse, Technikshow und prallbuntem Jahrmarkt. Es gibt Ferkel-Wettrennen, die neuesten John-Deere-Trecker, deren Räder höher ragen als ein Haus, Achterbahn, Kettenkarussels und andere Menschenschleudern. Man kann mit einem gelungenen Zielscheibenwurf einen schrillen Clown ins Wasser plumpsen lassen und sich für ein Erinnerungsfoto als Wildwest-Bankräuber verkleiden. Und es spielen Countrybands.
    Der Mann, der uns vom Motel aus in seinem Riesentruck mitnimmt, liebt diese Welt. Schon seit 20 Jahren stattet er die Bühnen solcher Open-Air-Events aus. Er ist 42 Jahre alt und Chefbeleuchter. Und er ist cool. Sonnenbrille, Vollbart und Pferdeschwanz, Tattoos, Whiskeystimme, Bierbauch. Dass er das Quartier nicht telefonisch reservierte, hat gute Gründe. Seine Anrufe nimmt Hotelpersonal nur ernst, solange er nicht seinen Namen nennt: Er heißt George Walter Bush. Vom Präsidenten unterscheidet ihn lediglich das kleine »t« im Mittelnamen, denn der heißt »Walker«. Genannt wird aber ohnehin meist nur das große »W.«.
    »Die Probleme fangen schon an, wenn ich ein Taxi bestelle oder eine Pizza«, erzählt er mir, während sein Fahrersitz wippt. »Da höre ich am anderen Ende nur: ›Klar, und ich bin Donald Duck‹, und dann legen die auf.« Meist lasse er das dann andere erledigen. Einmal seien sogar FBI-Leute hinter ihm her gewesen, als er auf der Stabliste einer Wahlkampfshow auftauchte. Es habe ihn Tage gekostet, ihnen klarzumachen, dass das kein dummer Scherz gewesen sei.
    Ob er sich für Politik interessiere, frage ich.
    »Ja und nein«, sagt er. »Ich gehe selten wählen. Aber wenn du so heißt wie ich, kommst du an der Politik kaum noch vorbei.«
    »Wir sind amtsmüde«
     
    Wir waren nicht nur auf Pointen aus, als wir nach Bushs Namensvettern suchten. Sie sollten auch ein wenig widerspiegeln, wann und warum der Sympathiewert des Originals sich derart wandelte. Kaum jemand dürfte schließlich mehr über die Popularität George W. Bushs nachdenken als ein George W. Bush selbst. Landesweit hatte die
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