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Wächter

Wächter

Titel: Wächter
Autoren: Baxter Clarke
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Auges nach oben und wurden immer schmaler, bis sie am Nordpol zusammenliefen. Inzwischen war ein weiteres Muster erschienen - diesmal vertikal -, das sich von einem Pol über den Äquator hinweg zum anderen Pol erstreckte. Und nun erschien
noch ein dritter Satz Linien, der rechtwinklig zu den ersten zwei Paaren zwischen den Polen verlief. Diese Verschiebung, die lautlose Präsentation grauer Rechtecke war begeisternd schön.
    Und dann erschien noch ein vierter Satz von Linien - Greifer versuchte ihrem Verlauf zu folgen -, doch plötzlich verspürte sie einen starken Schmerz im Kopf.
    Sie stieß einen Schrei aus. Sie rieb sich mit den Handflächen die tränenden Augen. Sie spürte etwas Warmes an der Innenseite der Schenkel. Sie hatte uriniert.
    Die schlafende Frau rührte sich.

{62}
    KLEINER RISS
12. Mai 2072
    Sie begannen den Tag wortlos.
    Sie folgten der Routine, die sie in den vielen Monaten entwickelt hatten, die sie nun schon zusammenlebten. Obwohl es, als Myra erwachte, nur noch ein paar Stunden bis zum Kleinen Riss waren. Sie war mit ihrer Weisheit am Ende.
    Juri musste den Tag beginnen, wie er nun jeden Tag begann: Er rüstete sich für eine Eissammlungs-Expedition. Die ISRU-Wasserextrahierungsanlage hatte schließlich den Geist aufgegeben. Also musste Juri täglich nach draußen zu einem Graben gehen, den er ins Wassereis hackte, und brach mit einer improvisierten Spitzhacke Brocken aus dem Eis, die er dann in der Wärme des Hauses schmolz. Und das war auch gar nicht so schwierig; das markant geschichtete Eis glich feinkörnigem Sandstein und ließ sich leicht spalten. Nachdem sie das Eis ins Haus geschafft hatten, mussten sie nur noch den Staub aus dem Matsch filtern, der beim Schmelzen anfiel.
    Wenn er damit fertig war, verschwand Juri, um Hanses Job zu erledigen, wie er sich ausdrückte: Er kümmerte sich ums Kraftwerk, die Luftaufbereitungsanlage und die anderen mechanischen Lebenserhaltungssysteme. Er pfiff sogar fröhlich vor sich hin, wenn er losging. Tags zuvor hatte er eine Lieferung erhalten, auf die er schon gewartet hatte. Ein unbemannter Rover, den die Besatzung von New Lowell losgeschickt hatte, war erschienen; Paula und ihre Mannschaft hatten Ausrüstung aus der radioaktiven Ruine von Lowell geborgen. Juri
war vom Inhalt dieser letzten Lieferung begeistert und hatte sich an diesem Morgen richtig auf seine Arbeit gefreut.
    Er hatte den Rover auf der Strecke zurückgeschickt, die er gekommen war - obwohl die Reise ein paar Tage dauern würde und bis zum Tag des Risses nicht zu Ende wäre. Juri schien instinktiv zu wissen, dass ihre empfindungsfähigen Maschinen genauso wie ihre menschlichen Herren beschäftigt werden mussten, und Myra sah keinen Grund, sich deshalb mit ihm zu streiten.
    Myra ging auch an die Arbeit. Sie wollte einer Tätigkeit nachgehen, die sie sich bis heute aufgehoben hatte.
    Sie stieg in den Außeneinsatz-Anzug, hakte wie immer alle planetarischen Schutzprotokolle ab und ging zum kleinen Garten mit den Freiluft-Pflanzen, die diesem neuen Marswinter trotzten. Eine regelmäßige Aufgabe bestand darin, den Schnee wegzublasen - die Luft, die jeden Tag ausfror. Sie verwendete dafür ein Heißluftgebläse, das wie ein überdimensionaler Haartrockner aussah.
    Bei der Arbeit registrierte Myra die Anwesenheit eines Auges, das über dem Garten schwebte. Es wimmelte nur so von Augen, und es hatten sich sogar welche in den Wohnelementen der Basis eingenistet. Wie gewöhnlich ignorierte sie sie geflissentlich.
    Sie strengte sich heute besonders an. Sie wollte die Ausrüstung im bestmöglichen Zustand zurücklassen. Und sie berührte die kräftigen ledernen Blätter jeder Pflanze und wünschte sich, dass sie sie durch die dick behandschuhten Finger spüren könnte.
     
    Am letzten Tag kam Bella zum Mars zurück.
    Aus dem Weltraum, vom Flugdeck der Liberator aus, konnte man erkennen, dass es dort noch etwas gab. Das Ding, das den Mars ersetzt hatte, war annähernd kugelförmig und glühte in einem matten, dunklen Rot - wie eine erlöschende Glut. Das Gebilde sandte keine Echos aus, und alle Versuche, eine
Sonde dort zu landen, hatten mit dem Verlust des Geräts geendet. Und wenn man es mit einem Spektroskop studierte, sah man, dass diese fremdartige Fläche zurückzuweichen schien und dass ihr Licht durch die Rotverschiebung auf ein trübes Rot reduziert wurde.
    Es war ein Klumpen aus Masseenergie, der dort umlief, wo der Mars hätte sein sollen. Es erzeugte ein hinreichend starkes
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