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Wächter

Wächter

Titel: Wächter
Autoren: Baxter Clarke
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Das ist auch nicht das einzige, aber ich halte es einfach nicht mehr aus.«
    »Sag’s mir.«
    »Ein nicht unterstützter Alleingang zum Nordpol des Mars. Das wollte ich schon immer tun. Ich werde am Rand der Eiskappe aufbrechen - nur ich und ein Anzug für Weltraumspaziergänge und ein Schlitten. Und dann werde ich losmarschieren und den Schlitten den ganzen Weg bis zum Pol ziehen. Keine Versorgungsabwürfe, keine Rettungsfahrzeuge. Nur mich und das Eis.«
    »Ist das überhaupt möglich?«
    »Aber ja. Es sind höchstens tausend Kilometer, je nachdem, welche Route man nimmt. Der Anzug wird mich zwar bremsen; aber wir haben keinen Anzug, der für einen solchen Einsatz entwickelt worden wäre, bei dem es vor allem auf Beweglichkeit ankommt. Ich werde ein paar Änderungen vornehmen müssen. Andererseits kann ich bei einem Drittel Ge auch dreimal
so viel ziehen wie damals in der Antarktis - sagen wir vierhundert Kilogramm. Und in mancherlei Hinsicht bietet der Mars sogar günstigere Bedingungen als die Pole der Erde. Es gibt hier weder Schneestürme noch Schneeblindheit.«
    »Du wirst den ganzen Sauerstoff mitführen müssen.«
    »Vielleicht. Oder ich nehme einen davon mit.« Er zeigte ihr ein paar seiner Lebenserhaltungs-Gerätschaften: einen kleinen Kasten zum Schmelzen von Eis, eine Elektrolyse-Ausrüstung für die Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. »Es kommt im Grunde aufs Gleiche raus. Die Geräte sind leichter als Sauerstoffflaschen, aber ihr täglicher Einsatz würde mich Zeit kosten. Ich weiß, dass es ein Wagnis ist, Myra. Aber es ist ein verdammtes Wagnis, nicht wahr? Und niemand hat es bisher versucht. Wer wäre wohl besser dafür geeignet als ich?«
    »Du müsstest aber ein Missionsdesign entwerfen.«
    »Ja. Dafür habe ich den ganzen Winter Zeit. Und wenn dann der Sommer kommt, werde ich abwarten, bis die Erde überm Horizont steht. Dann versuche ich es. Aber ich könnte schon vorher die Ausrüstung zusammenstellen und einen Probelauf auf dem Eis um die Basis machen. Die Dunkelheit dürfte dabei nicht ins Gewicht fallen.« Er schien in diesem neuen Projekt förmlich aufzugehen. Aber er schaute dennoch unsicher zu ihr auf. »Glaubst du, dass ich verrückt bin?«
    »Nicht verrückter als irgendjemand von uns. Ich meine, ich glaube eigentlich nicht an den 12. Mai. Du etwa? Keiner von uns glaubt doch, dass es jemals geschehen wird - dass der Tod uns ereilt. Sonst könnten wir wahrscheinlich überhaupt nicht funktionieren. Wir sind hier auf dem Mars nur etwas direkter damit konfrontiert. Mehr nicht.«
    »Ja. Aber...«
    »Wir wollen nicht mehr darüber sprechen«, sagte sie mit fester Stimme. Sie kniete sich neben ihn auf den kalten Boden. »Ich schaue dir lieber dabei zu, wie du dieses Zeug verpackst. Wie willst du überhaupt essen? Das Zelt zweimal am Tag aufschlagen?«

    »Nein. Ich dachte, dass ich es abends aufschlage, dann etwas esse und morgens noch einmal. Und tagsüber kann ich mir durch den Anzugsstutzen ein Heißgetränk reinziehen …«
    Also planten sie die Expedition, wobei sie plauderten, spekulierten und mit den Ausrüstungsgegenständen spielten. Unterdessen bildeten sich, getrieben durch die eisige Luft des Mars, Schneeverwehungen um die Pfähle der Stationsmodule.

{61}
GREIFER
    Es war Greifer , die die Veränderung zuerst bemerkte, die mit dem Auge vor sich ging.
    Sie erwachte langsam und klammerte sich wie immer an ihre zusammenhangslosen Träume von Bäumen. Im Stadium zwischen Tier und Mensch hatte sie nur eine vage Vorstellung von Zukunft und Vergangenheit. Ihr Gedächtnis glich einer Galerie, in der lebendige Bilder hingen - das Gesicht ihrer Mutter, das warme Nest, in dem sie geboren wurde. Und die Käfige. Viele, viele Käfige.
    Sie gähnte herzhaft, streckte die langen Arme aus und schaute sich um. Die große Frau, die diese Höhle mit ihr teilte, schlief noch. Es fiel Licht auf ihr friedliches Gesicht.
    Licht?
    Greifer schaute auf. Das Auge leuchtete. Es glich einer Miniatursonne, die in der Steinkammer gefangen war.
    Greifer führte eine Hand zum Auge . Es gab keine Wärme ab, nur Licht. Sie stand auf und starrte mit großen Augen und erhobener Hand auf das Auge .
    Nun gab es wieder etwas Neues. Das Glühen des Auges war nicht mehr gleichförmig: eine Reihe hellerer horizontaler Bänder überlagerte eine graue Grundfläche - ein Muster, das einen Menschen vielleicht an Breitengrade auf einer Erdkugel erinnert hätte. Diese Linien zogen sich vom »Äquator« des
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