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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition)
Autoren: Susanne Gavénis
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tanzen ließ, so wie er es auch in den Jahrhunderten zuvor bereits getan hatte. Die Sylphen hatten den Pfeil durch sein verderbtes Herz getrieben, hatten ihn endgültig und unwiderruflich niedergestreckt, und doch hatte er es geschafft, noch im Augenblick seines Scheiterns mit einer letzten höhnischen Pirouette die Klinge des Grams ein weiteres Mal in ihre blutenden Seelen zu stoßen. Vielleicht hatte er nicht gewonnen, aber er hatte dafür gesorgt, dass der Geschmack ihres Sieges auf ewig schal und bitter sein würde.
    Neanden krallte seine Finger noch fester in den aschigen Boden. Er wollte aufspringen, wollte zu Andion eilen und sich ihm in den Weg werfen, ihn irgendwie davon abhalten, sein verzweifeltes Vorhaben in die Tat umzusetzen, doch selbst wenn sich die Zähne aus Feuer nicht bei der winzigsten Bewegung noch heißer und unbarmherziger in sein Fleisch gegraben und jeden Gedanken an ein energisches Einschreiten bereits im Keim erstickt hätten, wäre er reglos geblieben. Einzig Andion besaß die Macht, das Verhängnis jetzt noch abzuwenden. Ogaire hatte ihn vor die Wahl gestellt, und er hatte seine Entscheidung getroffen. Er würde die einzige Chance nutzen, die ihnen – vielleicht – noch geblieben war.
    Hilflos verfolgte Neanden, wie sich Andion wankend bis zur Mitte der Lichtung schleppte, dort stehen blieb und langsam die Arme ausstreckte. Auch ohne dass er es sehen konnte, wusste Neanden, dass er das Herz des Waldes erreicht hatte. Er spürte, wie Andion seinen Geist öffnete, und er spürte den tosenden Strom der Kraft, der sich aus ihm in die Quelle ergoss. Die Elfenseelen fluteten aus ihm heraus, und sie nahmen ihre Macht und ihre Magie mit sich – und seine Lebenskraft. Neanden fühlte, wie sie seinen Körper verließ, aus ihm herausgerissen wurde wie die Planken eines Schiffes, das von den tobenden Gewalten eines Ozeans in tausend Stücke zerschmettert worden war und nun achtlos von den schäumenden Wogen davongespült wurde. Und er fühlte, wie das Netz aus glühenden Dornen, das ihn unerbittlich am Boden festgehalten hatte, von Sekunde zu Sekunde leichter wurde, wie die lodernden Flammen erloschen und seine Seele und sein Körper von dem düsteren Mahlstrom fortwichen, in dessen schrecklichem Sog sie gefangen gewesen waren.
    Als er schließlich die Kraft fand, sich endgültig vom Boden zu erheben, sah er, wie Andion im Zentrum der Lichtung in sich zusammensackte. Eine Klaue aus Eis grub sich in sein Herz, und mit einem verzweifelten Schrei auf den Lippen stürzte Neanden an seine Seite. Mit zitternden Fingern berührte er ihn an der Schulter, strich über die kalte, bleiche Haut seiner Wangen und seiner Stirn, suchte nach einem winzigen Rest von Leben, der noch in ihm geblieben war.
    Mit einer langsamen, unendlich mühsamen Bewegung kamen Andions Augenlider in die Höhe. Er sah ihn an, doch sein Blick ging durch ihn hindurch, schien ihn kaum wahrzunehmen. „Neanden.“ Seine Stimme war nur ein Hauch, so schwach, als gehöre sie bereits nicht mehr zu dieser Welt.
    Neanden schluchzte auf. „Andion, bei allen Bäumen! Du darfst nicht sterben!“
    Seine Stimme wurde noch leiser. Mit jedem flatternden Herzschlag schien das Leben weiter von ihm fortzuweichen.
    „Ich habe ... keine ... Kraft mehr.“
    „Aber du musst weiterleben!“, rief Neanden verzweifelt. „Lebe für Maifell!“
    Andions Blick verschleierte sich. „Bitte sorge ... du für sie.“
    Neandens Hände umschlossen seine Schultern, als könnten sie auf diese Weise das Leben in ihn zurückzwingen. „Das werde ich nicht ! Du bist mit ihr verbunden, nicht ich! Sorge selbst für sie. Es ist deine Pflicht, zu ihr zurückzukehren, nicht meine!“
    Neanden spürte, wie Andion erbebte. Eine einsame Träne rann langsam seine Wange hinab. „Es ... tut mir leid.“
    Seine Augen fielen plötzlich zu, und er wurde noch bleicher. Neanden fühlte die Dunkelheit, die sich auf ihn herabzusenken begann.
    „Nein!“ Neanden ballte seine Hände zu Fäusten. Er würde nicht zulassen, dass Andion starb. Er würde nicht noch einmal hilflos danebenstehen und zusehen, wie er jeden verlor, der ihm in seinem Leben etwas bedeutete.
    Mit einem Ruck beugte er sich nach vorn und presste seine Hände auf Andions Brust. Bei allen Bäumen, er war ein Elf! Er besaß die Fähigkeit zu heilen. Andion brauchte nicht zu sterben. Er konnte ihn retten – wenn er rasch und entschlossen genug handelte.
    Seine Hände auf Andions Brust begannen mit einem Mal zu zittern,
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