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Wachkoma

Wachkoma

Titel: Wachkoma
Autoren: Jasmin P. Meranius
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selbstverständlich.
    „Sie meditieren irgendwo und sind anschließend hier?“, wiederholte Beata ungläubig, um auszuschließen, etwas missverstanden zu haben.
    „Meditation bedeutet nicht mehr als ‚Ausrichtung zur Mitte‘. Es gibt zahlreiche bewusstseinserweiternde Übungen, die verschiedene Bewusstseinszustände hervorrufen. Das Höchste, das man erreichen kann, ist natürlich das Nirwana. Aber das ist nur ein Bewusstseinszustand von vielen. Und dieser hier eben ein weiterer“, erklärte er mit ruhiger Stimme.
    „Verstehe“, stammelte Beata, ohne es zu verstehen,und hielt es für besser, hierauf nicht weiter einzugehen. „Also waren Sie schon öfter hier. Wie schön.“
    Beata blickte ein wenig verlegen um sich, ob der Kellner nicht schon mit dem Wein zu sehen war.
    „Ich war übrigens nicht nur hier, sondern schon fast überall auf der Welt“, fuhr Didier schließlich fort.
    „Ja, Sie erwähnten das bereits. Was, sagten Sie, machen Sie beruflich?“, fragte Beata, froh, dass das Gespräch nun in eine andere Richtung ging.
    „Gar nichts“, antwortete Didier plötzlich mit unerwartet ernster Stimme.
    „Wie bitte? Ich verstehe nicht“, stammelte Beata erneut und befürchtete, ihm mit ihrer Frage zu nahe getreten zu sein.
    „Na, ich sagte, dass ich dir noch gar nicht gesagt habe, was ich beruflich mache.“
    Didier lachte wieder einmal laut auf, als freute er sich, sie auf die Schippe genommen zu haben.
    Sein Lachen verunsicherte Beata.
    Er verunsicherte sie.
    Er war für sie nicht nur schwer einzuschätzen, er brachte sie auch ein wenig aus dem Konzept.
    Didier schien davon nichts zu bemerken und hatte sich zwischenzeitlich entspannt zurückgelehnt und bereits ein wenig drauflos geplaudert.
    Er erzählte von einem leichten Schlaganfall, den er vor fünfzehn Jahren gehabt habe. Sein Leben sei dadurch stark verändert worden, da er wusste, dass er es von heute auf morgen ändern müsste, wenn er leben wollte.
    „Ein paar Rücklagen plündernd, reiste ich erst einmal für eine ganze Weile in ein hinduistisches Kloster, in dem ich vieles über das Leben und die Spiritualität erfahren habe.“
    Deshalb weiß er so viel über Yoga und Meditation, dachte Beata. Und war beeindruckt von der Geschichte.
    Didier erzählte schließlich, dass er bereits beruflich häufig in Afrika und Indien zu tun gehabt und diese Länder auch noch nach seinem Schlaganfall weiterhin regelmäßig bereist habe. Jedoch nicht mehr als Vertreter eines namhaften Textilunternehmens, sondern als Privatmann, der nun andere Absichten hatte.
    Er habe durch seinen Job so viele arme Menschen getroffen, die ihre Kinder in Textilfabriken arbeiten ließen, um zu überleben. Ihre Töchter an Männer wie ihn verkauften und ihre alten Mütter und schwangeren Frauen auf dem Feld schwere körperliche Arbeiten verrichten ließen.
    Für wenig Geld.
    Zu wenig Geld, um die Familie zu ernähren.
    Er hingegen, als Weißer aus dem mächtigen Westen, hätte mit seinem Monatslohn fünf Familien satt bekommen können. Doch stattdessen habe er deren Lohn noch weiter drücken müssen, um die Gewinnspanne des Textilunternehmens zu vergrößern, damit der deutsche Endkunde die günstigen Textilien auch weiterhin kaufte und nicht zur möglicherweise günstigeren Konkurrenz abwanderte.
    Sein Schlaganfall habe ihn aber wieder ein wenigwachgerüttelt, sodass er unweigerlich feststellen musste, wie ungerecht die Welt doch war.
    „Ich konnte die Augen nicht länger davor verschließen.“
    Er erzählte, wie er daraufhin begann, sich in verschiedenen sozialen Einrichtungen zu engagieren, indem er Spendengelder sammelte, um sie denen zukommen zu lassen, die sie am nötigsten brauchten.
    „Es war jedes Mal wieder verwunderlich für mich gewesen, dass meist diejenigen am meisten gegeben haben, die selbst am wenigsten hatten“, sagte er.
    Er habe dann, gemeinsam mit einem Schweizer, eine kleine Organisation gegründet, die nun seit knapp zwölf Jahren Gutes bewirke, in dem Glauben, dass die Welt wieder ein wenig mehr werde, wie sie sein sollte.
    „Das ist sehr löblich. Ich spende selbst auch“, unterbrach Beata seinen Redefluss und erzählte kurz von ihrer Patenschaft für ein afrikanisches Kind, die sie seit ein paar Jahren hatte.
    „Wo genau lebt es in Afrika? Ist es ein Mädchen oder ein Junge?“, fragte Didier mit einem Tonfall in der Stimme, als kenne er die Antwort wieder einmal bereits.
    „Es ist, tja, ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Ghana?
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