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Wachgeküßt

Wachgeküßt

Titel: Wachgeküßt
Autoren: S Harvey
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daunengefülltes Feigenblatt.
    »Alex, wart!« ruft er, als er das Auto erreicht und die Tür festhalten will. Ich schlage sie zu, wobei zwei seiner Finger ganz knapp einer Amputation entgehen. Ich lasse den Motor meines armen, kleinen Autos aufheulen, indem ich bösartig mit der Kupplung spiele wie ein Rennfahrer vor dem Start.
    »Alex, bitte.« Max sieht verzweifelt aus. »Du kannst nicht einfach losfahren, ich sitze in der Klemme...«
    Allerdings sitzt du in der Klemme, du Bastard. Ich haue den Gang rein, setze, ohne mich umzudrehen, zurück und verpasse dabei nur ganz knapp eine kleine, schwarze Katze, einen Hydranten und Max’ Ferse.
    Ich komme mir vor, als hätte mir soeben jemand einen Schlag in den Unterleib versetzt und mir anschließend ein paar Finger in den Hals gesteckt.

    Ich glaube, ich werde krank.
    Ich glaube, meine Augen brauchen die Scheibenwischer jetzt viel mehr als mein Auto.
    Ich sehe nichts. Mit dem Handrücken fahre ich mir übers Gesicht und hinterlasse einen Streifen schwarzer Wimperntusche auf den Wangen. Dann lege ich den ersten Gang ein, gebe Gas und mache, daß ich wegkomme.
    Erst am Ende der Straße wird mir klar, daß das eigenartige Geräusch, das ich höre, von Max’ Decke stammt, die in der Tür eingeklemmt ist und wie ein wild wogendes Schleppnetz hinter mir herschleift. Ein Blick in den Rückspiegel und ich sehe gerade noch, wie das bereits erwähnte Hinterteil mit dem Muttermal in der Form Italiens von einer sanften Röte überzogen wird und wie der schleimige Besitzer dieses guten Stücks nackt und überstürzt die Straße entlangrast, um zu Heim und Herd zurückzukehren.
     
    Wie bei jeder Krise fahre ich mit Autopilot und der Wagen schlägt automatisch den Weg zu Emmas Haus ein.
    Emma ist meine beste Freundin. Jede Frau braucht bestimmte Dinge, um zu überleben. Meine Top Ten für ein Girlie-Survival-Kit lautet wie folgt – in umgekehrter Reihenfolge:
    10) Eine Kundenlcarte für mindestens eines der großen Kaufhäuser
    9) Ein netter Chef
    8) Ein netter Kundenberater bei der Bank
    7) Ein guter Friseur
    6) Schokolade und andere Süßigkeiten
    5) Ein Zuhause
    4) Sinn für Humor
    3) Ein Haufen guter Freunde
    2) Die Familie
    1) Die beste Freundin
    Ich weiß, daß in meiner Liste die üblichen und vernünftigen Punkte wie »gute Gesundheit« usw. fehlen, und ein »netter Mann« kriegt noch nicht mal die Nasenspitze rein (meine Mutter und einige meiner Freundinnen würden behaupten, daß es so was wie einen »netten Mann« gar nicht gibt). Aber ich spreche davon, was eine Frau, um durchs Leben zu kommen, au β er einem rüclcsichtsvollen, treuen, lustigen, intelligenten, sexy Lover braucht. Findet man heraus, daß der eigene Partner dieser Beschreibung entspricht, so tritt die Survival-Liste in der Regel erst recht in Kraft. Mit anderen Worten: Wenn der Mann einen fallenläßt, richten einen Freundinnen in der Regel wieder auf, schütteln einen ordentlich durch und bringen einen wieder auf den mit Scheiße bedeckten Pfad des Lebens zurück.
    Durch den Londoner Verkehr kämpfe ich mich bis zu der ruhigen Straße in Chelsea, in der Emma in einem malerischen alten Cottage wohnt, das ihren steinreichen, durchgelcnallten Eltern gehört.
    Ich schaffe es einzuparken, ohne etwas umzufahren, dann kraxele ich aus dem Wagen, hämmere an die Eingangstür und klingele Sturm, als ob ich direkt aus dem Irrenhaus entflohen wäre.
    Durch die Glastür sehe ich, wie Emma langsam die Treppe herunterschlurft, um die Tür zu öffnen. Es ist 10 Uhr 30, ein schöner Samstagmorgen im Frühling, und ihre grünen Augen gleichen wegen Schlafmangels zwei klebrigen Schlitzen – die Folge einer durchzechten, ausschweifenden Freitagnacht, dem Auftalct zum Wochenende. Ihr langer, brauner Pagenschnitt ist ganz verwuschelt, und ihre Augen sind vom Make-up verschmiert. Diese Nacht war wohl ziemlich ausschweifend.
    »Hallo, Lex.« Sie blinzelt aus trüben Augen und schafft es, ihren Wangenmuskeln bei meinem Anblick ein hundemüdes, aber doch erfreutes Grinsen abzuringen. »Seit wann bist du wieder da?«
    In all dem Durcheinander habe ich unglücklicherweise vergessen,
was sich gehört. Ich befinde mich in einem Stadium, in dem logisches Denken der Vergangenheit angehört und mein Körper nur noch instinktiv reagiert.
    Wortlos drängele ich mich an ihr vorbei, stürze die Treppe hinauf und platze in die Küche, die im hinteren Teil des Hauses liegt. Dort setze ich blindlings den Teelcessel auf und greife nach der
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