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Wachgeküßt

Wachgeküßt

Titel: Wachgeküßt
Autoren: S Harvey
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ihm, ihr habt getrennte Konten, getrennte Freunde, alles ist getrennt. Was willst du da noch mit ihm besprechen?«
    »Vielleicht will ich nur die Gelegenheit nutzen, ihm sämtliche Schimpfworte dieser Welt an den Kopf zu werfen, ihm in die Eier zu treten und einige seiner Lieblingssachen zu zerdeppern. Vielleicht brauche ich das.«
    »Schon möglich«, antwortet Emma. »Trotzdem glaube ich, daß es dir mehr schaden würde als ihm. Weißt du, was du meiner Meinung nach im Moment wirklich brauchst?«
    »Eine Flasche Wodka?« schniefe ich.
    »Wie wär es mit einer richtigen Umarmung?«
     
    Schließlich – nach einem durchzechten Wochenende, an dem ich mein Elend hinter einer Flasche Wodka und meine Wenigkeit vor Max hinter dem Anrufbeantworter verstecke, weshalb ich auch mein Handy ausschalte und die angesammelten Nachrichten in meiner Mailbox ignoriere, die ja, wie ich weiß, nach Stunden aus dem Speicher gelöscht werden – schließlich kneife ich bei dem Gedanken an eine direkte Konfrontation und schleiche mich am Montag nachmittag in sein Haus, da ich weiß, daß Max zu diesem Zeitpunkt seinen Agenten belagert und ihn um eine Arbeit anfleht, bei der er weder ein Pelzkostüm anziehen noch eine Horde schreiender Kinder unterhalten muß.
    Mein Magen verkrampft sich auf widerliche Art und Weise, als ich den Schlüssel ins Schloß stecke und mir Einlaß verschaffe.
    Erst zwei Tage sind vergangen, doch ich fühle mich hier schon
längst nicht mehr heimisch, ich komme mir wie ein Eindringling vor. Das Haus wirkt wie ausgestorben, irgendwie abweisend, als ich kläglich mit meinen leeren Kartons hineinschleiche.
    Ich habe fast zwei von den sechs Jahren, die wir zusammen waren, bei Max gewohnt, um so erstaunlicher ist es, wie wenig von all dem Zeug hier mir gehört. Nachdem ich meine Kleider eingepackt, meine Sachen aus dem Bad geräumt und einigen Krimskrams aus der Küche geholt habe, sieht es so aus, als wäre ich nie hiergewesen. Bei diesem Haus habe ich keinen Eindruck hinterlassen. Bei Max offensichtlich auch nicht.
    Oben im Schlafzimmer räume ich meine Kleider aus, drehe mich um und werfe einen hilflosen Blick auf die Bettwäsche, die immer noch da ist. Max hatte nicht mal soviel Feingefühl, sie abzuziehen. Ich habe lange und eisern dafür gespart, über mehrere Monate hinweg auf meinen täglichen Schokoriegel verzichtet. Dann habe ich mir beim WSV meinen Weg durch wild kämpfende Weiber gebahnt, um sie zu ergattern. Diese Wäsche war ein Anlaß zum Feiern, ein Objekt der Begierde, das ich endlich bekommen hatte. Jetzt will ich sie nicht mehr.
    Zu dieser Kränkung kommt als Beleidigung hinzu, daß ich auf einem der Kissenbezüge aus cremefarbenem Leinen ein dickes, langes, goldblondes Haar entdecke. Da liegt es und verhöhnt mich. In mir zerreißt etwas. Ich wollte nur vorbeischauen, meine Sachen holen und still wieder verschwinden, aber jetzt...
    Ich will die verfluchten Dinger zwar nicht, aber ich will verdammt sein, wenn ich sie Max zum Bumsen überlasse. Ich wühle in meiner Handtasche herum, bis ich meinen geliebten Mont-Blanc-Füller finde, den mir meine Mutter anläßlich der Veröf fentlichung meiner ersten Kurzgeschichte in einer Zeitschrift geschenkt hat. Ein Sakrileg – für beide Seiten. Aber als ich die königsblaue Tinte auf der Bettwäsche verteile, überkommt mich eine seltsame Euphorie.
    Das tut gut. Mutwillige Zerstörung. Jetzt verstehe ich, woher
Graffitikünstler den Kick bekommen, und wieso Rockgruppen richtig high werden, wenn sie Hotelzimmer kurz und klein schlagen.
    Ich sehe mich nach etwas anderem um, das ich zerstören könnte und lasse meine Hände über eine Reihe Designeranzüge in Max’ Kleiderschrank gleiten. Doch bei dem Gedanken, die teuren Stücke mit einer scharfen Schere zu zerfetzen, schrecke ich zurück. Das gab es schon, das ist passé, ein alter Hut, fast schon kriminell, sage ich mir. Momentan mag ich zwar verwegen, kühn und unbekümmert sein, aber so bin ich nicht wirklich, und ich weiß, daß dieses Hochgefühl mich in dem Augenblick, da ich aus dem Haus gehe, verlassen wird. Und dann würde ich mich schrecklich fühlen. Und die Vorstellung, wie Max mich mit derselben Schere verfolgen würde, sobald er die kostbaren, zerfetzten Stücke gefunden hat, ist auch nicht gerade einladend. Aber ich kenne Max’ Einstellung und weiß, daß er eher seinen Vater – ein Anwalt der britischen Krone – mit einer Schadensersatzklage auf mich hetzen würde.
    Ich finde, daß die
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