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Wach (German Edition)

Wach (German Edition)

Titel: Wach (German Edition)
Autoren: Albrecht Selge
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ihn nicht auflösen). Ein Bischof sagt, der kirchliche Grundwasserspiegel sei im Sinken begriffen. Bei den Polizeimeldungen stockt August: In der vergangenen Nacht wurde in einem Park im Stadtzentrum eine mumifizierte Frauenleiche gefunden. Die Grünanlage werde derzeit umgestaltet, und an einer eingezäunten Abraumhalde aus Pflanzenresten und Erde habe am Abend der Hund eines Frührentners angeschlagen. Die Frau scheine bereits seit mehreren Jahren tot zu sein, Herkunft und Todesursache unbekannt, mehr könne die Polizei erst sagen, wenn der Leichnam gerichtsmedizinisch untersucht sei. Trotzdem setzt August sofort voraus, dass die Frau eine Prostituierte aus Osteuropa war und erwürgt worden ist. Er hat keine Lust, weitere Nachrichten zu lesen. Aus Langeweile sucht er nach seinem eigenen Namen. Was bleibt von mir? Hundertneunzig Treffer bei Google. August Kreutzer hat auf dem und dem Gymnasium die Schulbank gedrückt, erfahren Sie mehr über ihn auf seiner Stayfriends-Seite. Diplomarbeiten: Der Begriff des Erlebnisses in der Einzelhandelslandschaft des 21. Jahrhunderts/August Kreutzer. LustschlösschenCenter, Bequemheit erleben , ein Unternehmen der Künstliche-Paradiese-Gruppe: August Kreutzer, Junior Center Manager. Dann aber unerwartet: www.parkplatzsexxx.com, flachwixxxer, Dirk-XXXL, und dazwischen der Name august kreutzer. Wieso steht der da? Das ist nicht der einzige Treffer: www.schmuddelfikk.com, www.lutschschlampen.com, www.analdemuetigung.com. August schaut sich um, ob schon jemand (gar Xerxes) das Büro betreten hat, dann öffnet er eine Seite. Grelle Blink- und Laufschrift auf schwarzem Untergrund, wirres Design, august kreutzer unterhält sich mit Dick und DIGGLER und nadja18 über Toilettensex und entwirft Szenen wie: Eine fette Magierin verhext ihn mit NS und KV und tritt ihn mit ihren Pumps in die Gosse, dass seine Rippen knacken; oder: Er quält Frauen mit Fotzlappen wie Rhabarberblättern, will ihnen an die Gurgel, bis sie quietschn und krepiern vor Geilheit. August tun die Augen weh, er schließt die Seite wieder. Er dreht sich auf seinem Stuhl langsam hin und her, die Sache hat ihn in einem dünnhäutigen Moment erwischt. Eine Weile spinnt er vor sich hin, stellt sich vor, kein anderer als er, dessen erstes Ich davon allerdings nichts wisse, habe die Frau ermordet und im Park verscharrt; denn woher sonst als aus seinem dunklen Parallelbewusstsein hätte er wissen können, dass sie eine erwürgte Prostituierte aus Osteuropa war; oder aber, er habe nichts zu tun mit alldem, sondern sei in eine Falle gelockt worden, und da man nun sogar nachweisen kann, dass er von seinem Bürorechner aus Schmuddelseiten besucht hat, werde niemand ihm glauben und er schuldlos als Mörder überführt. Er fragt sich, welcher Kranke seinen Namen auf solchen Seiten benutzt. Am Ende einer von den Kollegen?
    Kurz vor acht kommen die ersten. Da ist August schon bei der Arbeit, er hat umgeschaltet, sich aufgerichtet, Blick und Rücken versteift, noch eine Koffeintablette eingeworfen. Und trotzdem, zwar macht er seine Arbeit wie immer, ist professionell, aber reserviert, proaktiv mit stillem Vorbehalt. Das wachste Drittel des Tages verbringt man also in einer Zufalls- bis Zwangsgemeinschaft, tagaus, tagein im Dauerstudium der Kollegen, mit der Zeit kennt man ihre Gewohnheiten und Rituale, die Kollegen sind nichts als Schatten von Eigenschaften: Eine isst jeden Vormittag zwischen zehn und halb elf mit Käse belegten Pumpernickel, indem sie das Brot gegen den Uhrzeigersinn, in Spiralen der Mitte sich nähernd, beknabbert. Ein anderer schüttelt vor dem Trinken die mit Leitungswasser gefüllte Plastikflasche, als gäbe es darin etwas zu mischen. Ein Dritter holt mittags eine Fernsehzeitschrift aus der Tasche und macht mit dem Füller Anstreichungen. Einige lesen morgens beim Bahnfahren die Wettervorhersage in der Zeitung, andere hören sie im Autoradio, sie prüfen tagsüber auf Internetseiten die Aussichten und tauschen sich in Gesprächen darüber aus; dabei halten sie sich kaum je im Freien auf. Und nach der Arbeit werden Zerstreuungen kommen und Entspannung, aber August graut vor der Entspannung, der Entspannung von der Zerrüttung, die Entspannung zerreißt ihn. Andere haben sich kleine Ventile geschaffen, ein Mann zerschneidet Papier, eine Frau klatscht den benutzten Teebeutel gegen die Wand des Spülbeckens, als wolle sie ein gefangenes Fischlein töten. Es ist übrigens, kein Zweifel, eine gute Bürogemeinschaft. An
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