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VT10 - Tod im Blut

VT10 - Tod im Blut

Titel: VT10 - Tod im Blut
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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und die weit entfernten Rufe eines Vogelschwarms. Stunden schienen zu vergehen, in denen alle an Bord ihren Gedanken nachhingen.
    Tala wurde aus ihnen jäh herausgerissen, als einer der Soldaten zu schnuppern begann.
    »Was riecht hier so?«, fragte er.
    Auch der Kaiser hob die Nase in die Luft. »Das ist Schwefel!«
    »Da hinten!«, rief ein anderer Soldat. »Die Große Grube. Wir sind fast da.«
    Es sah aus, als hätte ein wütender Gott seine Faust in die Erde gerammt. Schwefeldämpfe stiegen aus dem Erdriss empor, Wasser kochte in Pfützen am Boden. Dort gab es zweifellos vulkanische Aktivität.
    Die Roziere flog an grotesken Felsformationen vorbei und an der Großen Grube entlang. Der Anblick faszinierte Tala – so als erlaube der Riss in der Welt ihr den Blick in eine andere, verborgene, die nicht für ihre Augen bestimmt war.
    »Dies scheint ein Tag der Überraschungen zu werden«, sagte der Kaiser plötzlich. »Oder wie sollte man das sonst deuten, was uns an Steuerbord erwartet.«
    Tala folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger mit dem Blick. Im ersten Moment wusste sie nicht, was er meinte, doch dann sah sie etwas im Sonnenlicht blitzen. Reflektierendes Metall. Eine würfelförmige Konstruktion, so weit sie es erkennen konnte.
    »Das sehen wir uns näher an.« Der Kaiser änderte selbst den Kurs, brachte die Roziere näher an die Abbruchkante und an das merkwürdige Blinken heran. Das war nicht ganz ungefährlich, denn seit dem Vulkanausbruch ließ sich die Thermik rund um die Große Grube kaum noch einschätzen.
    Schließlich schälten sich Metallstangen aus der flirrenden Hitze.
    »Ein Käfig«, murmelte der Kaiser erstaunt. »Mit einem Insassen darin!«
    Tala griff zum Feldstecher, der zur Grundausstattung der Rozieren gehörte, und hob ihn an die Augen. Mit dem rechten Daumen korrigierte sie die Scharfeinstellung. Das Bild wurde langsam schärfer.
    Die Gestalt in dem Käfig wirkte menschlich. Sie hockte reglos in einer Ecke, die Arme um die Knie gelegt, die Stirn darauf gestützt. Sie war fast nackt, trug nur eine zerrissene Hose. Jetzt hob sie den Kopf.
    Tala hätte beinahe aufgeschrien. »Nabuu!« Sie drehte sich um und sah den Kaiser an. »Das ist Nabuu, Euer Excellenz! Ihr erinnert Euch doch sicher noch an ihn.«
    De Roziere nickte langsam. »In der Tat. Der Woormreiter aus Kilmalie, der den ersten Gruh zu uns brachte, richtig? Aber er scheint nicht gesund zu sein.«
    Tala fuhr wieder herum und blickte zum Käfig und zu Nabuu, der mittlerweile aufgestanden war und die Roziere anstarrte. Das Luftschiff hatte sich bis auf zwanzig Meter dem Käfig genähert und man erkannte nun Einzelheiten.
    Nabuus Haut war grau und fleckig verfärbt. Mit den Fäusten hieb er gegen die Käfigstangen. Sein Mund öffnete sich, Speichel triefte über sein Kinn zu Boden. Er brüllte vor Wut.
    Ein Schauer lief Tala über den Rücken. Es fühlte sich an, als tanzten Ameisen auf ihrer Haut.
    »Er ist krank«, stieß sie hervor. »Euer Excellenz, wir müssen ihm helfen!«
    Die Gardisten begannen untereinander zu murmeln. »Das ist ein Gruh«, sagte einer leise. Tala hätte ihn am liebsten von Bord gestoßen.
    De Rozier seufzte. Tala konnte sehen, dass ihm die Entscheidung nicht leicht fiel.
    »Wenn ich mich recht entsinne, war dieser Nabuu Mitglied einer verschollenen Expedition meines alten Freundes Wabo Ngaaba«, sagte er schließlich. »Von ihm könnten wir erfahren, was aus den Männern geworden ist. Zudem frage ich mich, wer ihn hier in diesen Käfig gesperrt hat und zu welchem Zweck. Das müssen wir in Orleans klären.« Er wandte sich an seine Leibgardisten. »Befestigt Haken und Seile an dem Käfig. Wir werden ihn unter die Gondel nehmen.«
    »Jawohl, Euer Excellenz.« Niemand klang sonderlich enthusiastisch. Nur Tala neigte den Kopf vor de Roziere.
    »Danke, Euer Excellenz.«
    ***
    Einige Tage zuvor
    Es war noch dunkel, als Nikali erwachte. Lauschend hob sie den Kopf, hielt einen Moment inne. Die Sechzehnjährige teilte ihr Nachtlager mit zwei jüngeren Schwestern; sie spürte deren gleichmäßige Atemzüge sacht wie Schmetterlingsflügel auf der Haut. Wo ihr Bruder war, ob er schlief oder wieder einmal, von schweren Träumen geplagt, unruhig durch die Hütte geisterte, konnte Nikali nicht feststellen. Mutter Glele schnarchte so laut, dass alle anderen Geräusche davon übertönt wurden.
    Nikali stützte sich auf ihre Ellbogen; eine leichte Bewegung nur, doch sie genügte, um das jüngste der Mädchen im Schlaf zu
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