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VT07 - Niemandes Welt

VT07 - Niemandes Welt

Titel: VT07 - Niemandes Welt
Autoren: Dario Vandis
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Kleidung war über und über von Gruhblut bedeckt. In diesem Augenblick hätte sie halb Orleans für ein Schaumbad in ihren Gemächern gegeben.
    Der junge Woormreiter führte sie zur Hütte. Dabei fand sie erstmals Zeit, ihren Retter zumindest von hinten zu betrachten. Er war prächtig gebaut: breitschultrig, mit kräftigen, aber nicht zu dicken Oberarmen. Seine Bewegungen waren die eines Mannes, der harte Arbeit auf den Feldern gewohnt war. Bestimmt war er der beste Woormreiter des Dorfes.
    Er öffnete die Tür und bat Marie, einzutreten. Noch auf der Türschwelle blieb sie überrascht stehen. In der winzigen Hütte drängelten sich mindestens ein Dutzend Kinder um einen Esstisch! Eine junge Frau stellte gerade eine Schale mit Brei auf den Tisch. Die Kinder lachten, riefen durcheinander und griffen nach der Schüssel. Als sie Marie bemerkten, verstummten sie schlagartig.
    »Ihr braucht nicht zu erschrecken«, sagte der Woormreiter. »Das ist…« Er drehte sich zu Marie um. »Wie heißt du eigentlich?«
    »Marie.«
    »Ein ungewöhnlicher Name. Das also ist Marie, Leute. Sie ist ein leichtsinniges, dummes Ding. Ich musste sie vor den Grauhäutigen retten.«
    Die junge Frau blickte ihn erschrocken an. »Du warst bei der Großen Grube?«
    Der Woormreiter schüttelte den Kopf. »Ich habe sie bei der Andockstation aufgespürt.«
    »Deine Dummheit wird dich noch mal das Leben kosten, Nooga!« Sie musterte Marie misstrauisch von oben bis unten. »Bist du etwa von den Gruh verletzt worden, Marie?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ihr braucht euch keine Sorgen um mich zu machen.«
    »Wir machen uns keine Sorgen um dich«, erwiderte die Frau kühl. »Aber wenn du infiziert wärst, hätte Nooga dich töten müssen.«
    Nooga lachte. »Das ist Mala. Kümmere dich nicht um sie, Marie. Mala ist im Dorf für ihr loses Mundwerk bekannt.« Er winkte ab. »Wenn Marie infiziert gewesen wäre, hätte ich das bereits gemerkt. Sie stinkt zwar wie ein Haufen Wakudascheiße – aber ansonsten scheint sie ganz in Ordnung zu sein.«
    Marie sog scharf die Luft ein. Diesem Bengel gehörten hurtig Manieren beigebracht. »Das ist wohl ein Missverständnis, monsieur«, sagte sie scharf. »Ich bin…«
    »Wir haben jetzt keine Zeit für Streitereien«, unterbrach Nooga. »Es ist schon spät. Die Kinder sollen essen, denn sie brauchen ihren Schlaf. Du solltest dich waschen, Marie, danach komm zu mir nach draußen. Die Nächte sind lang, seit die Gruh die Gegend unsicher machen, und wir können eine zusätzliche Wache gut gebrauchen.«
    Noch bevor Marie zu einer geharnischten Antwort ansetzen konnte, hatte Nooga bereits die Hütte verlassen und die Tür hinter sich zugeschlagen.
    ***
    ***
    ***
    Das Licht der Öllampe zeichnete unheimliche Schatten an die Wände. Nabuu saß mit dem Rücken an einen Fels gelehnt, nahm einen Schluck aus der Fellflasche und musterte die Gardisten unbehaglich. Sie hatten sich einige Meter entfernt um eine weitere Lampe versammelt, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Er spürte förmlich die Verachtung, die sie ihm entgegenbrachten. Allen voran Hauptmann Cris. Selbst die Gegenwart des Verkrüppelten schien ihm lieber zu sein. Das Wesen, das sich Niemand nannte, saß mitten zwischen ihnen, und sie bestaunten seine seltsam verdrehte Gestalt wie eine Zirkusattraktion. Während es sprach, schlug es sich immer wieder zwischendurch mit der Hand auf den Hinterkopf und flüsterte »böse Stelle, böse Stelle…« ­– als müsse es sich durch den Schmerz vergewissern, dass es noch existierte.
    Nabuu fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, die Gardisten in das Labyrinth zu begleiten. Wahrscheinlich würden sie ihn einfach fallenlassen, wenn es hart auf hart kam.
    Und wenn schon, dachte er trotzig. Dann würde er wenigstens ehrenvoll sterben – bei dem Versuch, seine Freunde und Verwandten aus Kilmalie zu rächen!
    Was sollte er noch auf der Erdoberfläche? Er hatte niemanden mehr, bei dem er bleiben konnte. Kein Zuhause. Keine Familie…
    Außerdem würde es für die Menschen auf der Erde sowieso keine Rettung geben. Die Gruh würden sich ausbreiten wie eine Seuche. Wer ihnen begegnete, starb entweder oder wurde durch eine Verletzung selbst zu einem Gruh. Kilmalie war nur der Anfang. Bald würde es keine Menschen, sondern nur noch Gruh in der Umgebung der Großen Grube geben.
    Nabuu stellte sich diese neue Welt vor – eine einsame Steppe, verlassene Dörfer mit leeren Hütten, zwischen denen mordlustige Gruh
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