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VT06 - Erstarrte Zeit

VT06 - Erstarrte Zeit

Titel: VT06 - Erstarrte Zeit
Autoren: Jo Zybell
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meisten werden bis dahin tot sein«, sagte Percival matt. »Und je weniger Leute, desto weniger Grund zum Streiten.«
    »Du bist zynisch, Tom«, sagte Leila vorwurfsvoll.
    Auch Donald trat zu ihnen. »Das meinst du nicht ernst, Reverend!« Er verhüllte seinen tätowierten Körper und Schädel mit einer Decke. Obwohl es ziemlich warm war, fror er. Percival vermutete, dass ein Infekt ihn erwischt hatte.
    »O doch! Todernst meine ich das! Und nenn mich nicht Reverend. Ich bin nur einer von einigen Überlebenden der Apokalypse, genau wie ihr beiden Exoten auch.«
    »Gut, dann nenne ich dich Sir Percival!« Donald grinste wehmütig. »Schade, dass du nicht Artus heißt, dann würden wir dich zum König ausrufen.« Er lachte und krümmte seinen kleinen knochigen Körper wie unter Schmerzen, und wahrscheinlich hatte er auch Schmerzen.
    »Wir brauchen eine Regierung.« Dagobert beugte sich nah an Percivals Ohr. »Wir brauchen irgendjemanden, der sagt, wo es langgeht.« Er verzog sein dickes Gesicht zu einer sorgenvollen Grimasse.
    »Warum erzählst du mir das?«, blaffte Percival. Irgendwie mochte er den fetten, langhaarigen Dagobert, obwohl er stank und kalte grüne Reptilienaugen hatte; vielleicht, weil er ihm das Gefühl gab, nicht allein zu sein mit seinem Übergewicht.
    »Guck dich doch um«, raunte Dagobert und blickte sich in der Höhle um. »Siehst du hier irgendjemanden, der sich als Queen oder Präsident oder Häuptling oder Premierminister eignen würde?«
    Auch Tom Percival schaute sich um. In kleine oder großen Gruppen getrennt, hockten etwa zweihundertfünfzig Menschen an den Höhlenwänden. Kleine Feuer oder Gasbrenner oder wenigstens Fackeln brannten hier und dort.
    Am Höhleneingang schlachteten zehn Männer und Frauen ein Zebra. Einige Dutzend Männer hatten sich aus der Höhle gewagt und fingen Tiere ein, die aus der brennenden Savanne ins Bergmassiv des Kilimandscharo geflohen waren. Bert Krieger stand mit seinem Sohn bei ihnen und versuchte ihnen ein Stück Fleisch abzuschwatzen.
    Kriegers Mutter, der schwarze Safariführer und fünf Frauen aus der Schweiz und Österreich hielten sich dicht bei ihm. Percival war längst aufgefallen, dass die Soldaten des Majors die zum Teil blonden Europäerinnen belauerten.
    Major Mogbar selbst hatte sechs seiner Männer bewaffnet vor den drei Transportern Posten beziehen lassen. Zwei hatten sogar Maschinengewehre aufgebaut. Die anderen vier hatte er aus der Höhle und auf die Jagd geschickt.
    »Wenn es hart auf hart kommt, wird er seine Trümpfe ausspielen, Sir«, raunte Donald. »Seine Trümpfe liegen in Kisten unter den LKW-Planen, und wenn er sie ausspielt, machen sie Bumm! und erzeugen gewaltige Druckwellen.«
    »Donald hat recht, Tom«, flüsterte Leila. »Der Mann ist buchstäblich eine tickende Zeitbombe. Wenn wir ihn nicht in irgendeine Art von Solidaritätsgemeinschaft einbinden, wird er uns irgendwann diktieren, was wir zu tun oder zu lassen haben.«
    »Oder uns gleich aus dem Höhlendorf bomben«, sagte Dagobert.
    »Die meisten hier sind tickende Zeitbomben, aber ich misstraue dem Major genau wie ihr.« Percival nickte langsam.
    Sein Blick fiel auf eine Gruppe Jugendlicher an der Innenwand der Haupthöhle. Von dort aus führten drei Gänge tiefer ins Höhlensystem hinein. Knapp hundert Menschen hatten sich in sie zurückgezogen, meist Kenianer. Die Absonderung gefiel Percival nicht. Die jungen Burschen stritten um irgendwelches Werkzeug. Ein paar alte Frauen versuchten sie zu beschwichtigen.
    Ganz in der Nähe hockte Roger Wilson im Schneidersitz auf einem Leopardenfell. Er tippte auf der Tastatur seines Laptops herum. Vermutlich versuchte er übers Internet Verbindung nach Europa oder Nordamerika zu bekommen. Percival konnte sich nicht vorstellen, dass es noch irgendwo auf dem Globus einen Server gab, der nicht zusammengebrochen war.
    »Er schreibt einen Lagebericht für seinen Arbeitgeber, was?«, sagte Donald. Er und die anderen beiden sahen, dass Percival den langen dürren Mann mit dem wirren Blondschopf beobachtete.
    »Oder seine Biographie«, spottete Leila.
    »Oder sein Testament«, sagte Dagobert, und er schien es ernst zu meinen.
    »Was auch immer er schreibt, er wird es nicht mehr lange tun«, brummte Percival. »Auch der beste Akku ist nach sieben Stunden leer.«
    »Tickende Zeitbomben, wohin du blickst, was, Sir Percival?« Dagobert betrachtete den Journalisten von der Seite. »Das hast du doch selbst gesagt. Wir brauchen irgendeine
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