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VT06 - Erstarrte Zeit

VT06 - Erstarrte Zeit

Titel: VT06 - Erstarrte Zeit
Autoren: Jo Zybell
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– salzsäuern. Es war nicht das erste Mal, dass er solche Wortschöpfungen von Sissi hörte. Die Frau gefiel van der Groot.
    »Mir egal, ich hau Eusebia raus!«, schnauzte Knox. »Und wenn es mich meine picklige Haut kostet!« Die Hände zu Fäusten geballt, tigerte Knox an den Arbeitstischen des Labors auf und ab. Van der Groot hatte den normalerweise eher stoischen Deutschen noch nie so aufgewühlt erlebt.
    »Es geht nicht nur um Ihre Freundin, Mr. Knox«, sagte Daniel Djananga, der ehemalige Vizepräsident Tansanias, in seinem knotigen Englisch. »Es geht auch um die anderen fünf Personen. Es sind tapfere Menschen, sie könnten uns bei unserem Kampf gegen den Tyrannen unterstützen.«
    Jetzt, da Charles Poronyoma nicht mehr Präsident, sondern Kaiser war, hatte Daniel Djananga sein Amt verloren. Denn ein Kaiser brauchte keinen Vizekaiser, wie Karl der Große Djananga belehrt hatte. Nur ein leiblicher Sohn kam für die Stellvertretung und die Nachfolge eines Kaisers in Frage.
    Van der Groot hielt es für einen Glücksfall, dass Daniel Djananga sich der heimlichen Opposition gegen Poronyoma angeschlossen hatte, denn der kluge und etwas ängstliche Tansanier verfügte über gute, vertrauliche Kontakte zu etlichen Offizieren und Wirtschaftsbossen, denen der Kaiser einen Bunkerplatz gewährt hatte. In den Wochen, in denen der ehemalige Vizepräsident für seinen Chef die Regierungsgeschäfte in Daressalam führte, hatte er ein feines Netz des Widerstandes gewoben.
    »Mir geht es um Eusebia«, knurrte Knox trotzig. »Wenn es euch auch um die anderen geht, dann lasst euch was einfallen! Wenn ihr nicht bis übermorgen wartet, bin ich dabei.«
    Sissi, Djananga und der Professor sahen einander betreten an. Eine Zeitlang schwiegen alle. »Ich habe eine Idee«, sagte van der Groot schließlich. »Ich spreche mit dem Irren. Wartet hier auf mich.«
    Er verließ das Labor. Obwohl er nervlich auf dem Zahnfleisch kroch, wie man so sagt, blieb er äußerlich gelassen. Niemand merkte ihm seine Belastung an. Nur wenn van der Groot mit sich allein war, ließ er sich ein wenig gehen.
    Über den Hauptgang der mittleren Ebene gelangte er zum Hauptlift. In der mittleren Ebene lagen die Bunkerklinik, das Laboratorium, die Produktionsanlagen für Lebensmittel und Kleider und zahlreiche Lager- und Vorratsräume. Außerdem gab es einen ziemlich großen Zellentrakt in der Zwischenebene.
    Van der Groot fuhr in die obere Bunkerebene hinauf, wo in erster Linie die Wohneinheiten und Sozialräume lagen. In der Gemeinschaftshalle hatte Eddie aus Rosenheim die ledernen Polstermöbel vom Zentralpodest schaffen lassen. Van der Groot musste die Halle durchqueren, um zur Kaisersuite zu gelangen. Eddie, verantwortlich für Bunkergastronomie und -organisation, war gerade damit beschäftigt, ein paar Männer mit einer Zinkbadewanne auf das Podest zu dirigieren. Andere Tansanier trugen Kanister mit Salzsäure herbei und platzierten sie auf dem Podest. Wieder andere installierten nach Eddies Anweisungen drei Kamerastative.
    Van der Groot schluckte trocken – offenbar wollte Charles Poronyoma die Qualen seiner Opfer auf die Großbildleinwand übertragen lassen. Eddie aus Rosenheim winkte freundlich, der Professor wandte sich erschrocken ab. Er hatte nicht gewusst, dass es Salzsäure im Bunker gab; vermutlich einer der logistischen Geniestreiche des Bayern.
    Aus der Küche roch es nach Bratwürsten. Offenbar hatte Eddie seinen Kochassistenten mit dem kaiserlichen Mittagsmahl beauftragt. An der runden Tafel seines Privatspeisesaals saßen außer dem Kaiser auch Nyanga, zwei schwedische Models namens Liv und Astrid, die Sicherheitschefs Bodo und Fred und die drei offiziellen Gattinnen des Kaisers, alle drei Geschenke der Voodoopriesterin und wie diese Angehörige der Massai. Eine recht gemischte Tischgesellschaft alles in allem.
    Liv und Astrid versuchten den Männern ein paar Brocken Schwedisch beizubringen, die Voodoopriesterin rauchte, und Poronyomas Frauen pflegten die Finger- und Fußnägel ihres kaiserlichen Gatten. Alle machten sie den Eindruck von aufgekratzten Menschen, die sich aus reiner Abenteuerlust vorübergehend untertage begeben hatten. Keine Spur von Verzweiflung oder Resignation. Vor Karl stand ein Glas Weißbier auf dem Tisch – sein Aperitif.
    »Nehmen Sie Platz, Professor!« Karl der Große wies auf den Sessel neben sich. »Speisen Sie mit mir!« Er schien bester Laune zu sein. »Hole dem Professor ein Bier, mein Täubchen«, befahl er
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