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VT06 - Erstarrte Zeit

VT06 - Erstarrte Zeit

Titel: VT06 - Erstarrte Zeit
Autoren: Jo Zybell
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wecken. Zu Mittag wird Eddie aus Rosenheim ihm eines seiner Leibgerichte kredenzen: Flugente mit Semmelknödeln und Apfelrotkraut. Es wird nicht jedem bekommen, fürchte ich, wenn ich mir das E-605 hier in meinem Giftschrank betrachte. Und wenn wir dann am Nachmittag zur Hinrichtungszeremonie schreiten, wird keiner der sechs dafür Vorgesehenen das Podest betreten…
    ***
    Im Bunker Karls des Großen, 11. Februar 2012
    »Rühren Sie das Essen nicht an, mein Kaiser!« Sissi schrie hysterisch. »Weg mit dem Knödel!« Gefolgt von van der Groot und Daniel Djananga stürzte sie in den Speisesaal. Atemlos blieb sie vor ihm stehen. »Es ist vergiftet…«
    »Was redest du da…?« Karl der Große riss Mund und Augen auf und ließ seine Gabel sinken. Da Sissi Deutsch mit Kärntner Akzent sprach – sie stammte aus einem Bergbauerndorf am Millstätter See – verstanden auch Bodo und Fred ihre Warnung. Misstrauisch beäugten sie die Knödelstücke, die sie auf ihre Gabeln gespießt hatten.
    Liv und Astrid verstanden kein Deutsch, doch sie aßen sowieso nur Rotkraut und ein wenig mageres Fleisch, und das Gift steckte in den Knödeln. Außerdem hatten sie vor Schreck über Sissis plötzliches Auftauchen ihr Besteck fallen lassen. Die kaiserlichen Gattinnen waren zu keiner Sekunde in Gefahr, denn sie schenkten noch Weißbier aus.
    Kein Wort verstand auch die Voodoopriesterin, und unerschütterlich, wie sie nun einmal war, kaute und schluckte sie ein Stück Knödel und spießte gleich das zweite Stück auf. Ihre Meerschaumpfeife lag neben ihrem Teller. Sie war noch warm.
    »Wie sollte mein Essen vergiftet sein!« Der Tyrann brauste auf. »Es wird von meinen engsten Vertrauten zubereitet!« Er spießte den Knödel auf und drehte die Gabel um und betrachtete die leckere Kugel. »Eine ungeheuerliche Behauptung!« Wütend sprang er auf.
    Mochte er sich auch noch so erbost gebärden, in seinen Augen las van der Groot die Wahrheit: Angst.
    »Es ist wahr, leider.« Der Professor trat vor den Tyrannen. »Bitte essen Sie nicht davon, mein Kaiser.« Er sprach ruhig und eindringlich. Mit einer dezenten Kopfbewegung bedeutete er Daniel Djananga, das Wort zu ergreifen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Nyanga – die Voodoopriesterin steckte sich bereits das nächste Stück Semmelknödel in den zahnlosen Mund. Bodo und Fred dagegen starrten nur unschlüssig auf ihre Teller. Van der Groot bedauerte sehr, dass sie nicht Zugriffen.
    »Einer der Küchendiener kam zu mir«, flüsterte Daniel Djananga dem Tyrannen ins Ohr. »Er beobachtete, wie Eddie aus Rosenheim zwei Ratten mit einem schwarzen Pulver fütterte.« Er winkte in Richtung Tür.
    Knox kam herein, er trug eine Plastiktüte bei sich. Vor dem Tyrannen blieb er stehen und öffnete die Tüte. Kaiser Karl blickte hinein – zwei tote Ratten lagen darin.
    »Und heute beobachtete der Küchendiener, wie Eddie dasselbe Pulver in den Teig für die Knödel gab«, sagte Daniel Djananga.
    Charles Poronyoma holte Luft, um zu protestieren, doch im selben Moment gab es einen Schlag, als wäre ein Sack ausgetrockneter Kürbisse auf den Boden geprallt. Alle Köpfe flogen herum. Die Models begannen zu schreien, Fred und Bodo machten erschrockene Gesichter und starrten dorthin, wo eben noch Nyanga gesessen hatte. Der Stuhl der Voodoopriesterin war leer. Die Greisin wand sich unter der Tafel in Krämpfen, sie röchelte und verdrehte die Augen.
    Karl der Große sank in seinen Sessel zurück, alles an ihm erschlaffte. Seine Frauen begannen ihm Luft zuzufächeln. Eine wischte ihm den kalten Schweiß von der Stirn.
    »Wos is los hia?« Eddie aus Rosenheim stürzte aus der Küche in den Speisesaal. Er sah die entsetzten Gesichter, entdeckte die sterbende Greisin, und wie festgefroren blieb er stehen: »Jo, Himmiheagottsakrament…!«
    »Festnehmen!« Der Tyrann packte seinen Teller mit Knödeln, Entenschlegel und Rotkraut und schleuderte ihn quer über die Tafel auf seinen Chefgastronomen. »Abführen!« Ein paar Gardisten stürmten in den Speisesaal, fesselten den völlig verdutzten Bayern und zerrten ihn in die Küche und von dort hinunter in den Zellentrakt.
    »Raus hier! Weg mit euch! Und schafft die Leiche weg!« Der Tyrann ruderte mit den Armen und schrie. Fred und Bodo trugen die tote Greisin aus dem Speisesaal, die Models und die Präsidentengattinnen flohen Hals über Kopf, und van der Groot schritt zwischen Daniel Djananga und Knox zum Ausgang des kleinen Speisesaals.
    »Sie nicht, Professor!«,
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