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VT03 - Tod in den Wolken

VT03 - Tod in den Wolken

Titel: VT03 - Tod in den Wolken
Autoren: Mia Zorn
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Schlafenden wecken, die rund um die Feuerstelle lagen: eine Handvoll Männer, die Antoinette als Kohorte zur Wolkenstadt des Kaisers geschickt hatte. Sie waren in der vergangenen Nacht mit ihrer Roziere hier gelandet.
    Der junge Kilmalier bahnte sich vorsichtig einen Weg zwischen den Schlafenden hindurch. In der einen Hand seinen Speer, in der anderen den dampfenden Becher vor sich her balancierend, ging er in Richtung Klippen. Er passierte einen dunklen Felsblock, auf dem ein Masaaii hockte. Die Wache erinnerte Nabuu an einen großen Vogel: Der hagere Körper versank in der viel zu weiten blauen Samtuniform. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, seine Perücke ins Gesicht gerutscht, und der weiße Zopf ragte in den Himmel.
    Was wohl der Kommandant tun würde, wenn er die Wache schlafend erwischte? Aber der Führer der Kohorte war nicht hier. Noch in der Nacht war er weiter geflogen nach Wimereux-à-l’Hauteur, in die Stadt des Kaisers. Er wollte um eine Audienz für den Krieger aus Kilmalie bitten.
    Bei dem Gedanken daran schüttelte Nabuu den Kopf. Die Sitten am Hofe waren für ihn befremdend. Außerdem kosteten sie eine Menge Zeit. Er mochte gar nicht daran denken, was noch alles passieren musste, bis endlich die notwendige Hilfe nach Kilmalie aufbrach. Vorsichtig nippte er an dem Becher. Der warme Tee tat gut. Während er sich dem Rand des Bergrückens näherte, dachte er an die vergangenen Tage im Fluggefährt der Masaaii. Die Luftschiffe wurden nach ihrem Erfinder benannt: Rozieren. Sie bestanden aus einer Gondel aus Holz, Glas und Metall, die von einem Ballon durch die Lüfte getragen wurde. Der Ballon glich einer platt gedrückten Kugel, die mit Wasserdampf gefüllt war. Durch einen Propeller an der Rückseite der Gondel erreichte das Luftschiff eine beachtliche Geschwindigkeit.
    Nabuu hatte erst Herzklopfen, als das Luftschiff vom Boden abhob, aber dann war er nur noch begeistert: In einer Roziere zu fliegen war fast schöner als Woormreiten! Während die Kolben der Dampfmaschine stampften und der Wind durch die geöffneten Fenster pfiff, saß er am Fenster und betrachtete die Landschaft, über die sie hinweg flogen.
    Nur die Nächte waren einsam: Die Gardisten hockten auf den Bohlen und am Kartentisch der Gondel. Sie würfelten, unterhielten sich über ihre Familien oder den neuesten Hoftratsch von Avignon-à-l’Hauteur. Sie scherzten und lachten miteinander. Mit Nabuu redeten sie nur das Notwendigste.
    In der ersten Nacht hatte er sich noch zu ihnen gesetzt, aber sofort war jegliches Gespräch verstummt. Erst als er sich auf sein Lager in einer Ecke der Gondel zurückgezogen hatte, wurden die Stimmen wieder laut.
    Vor zwei Tagen hatte sich plötzlich Rönee an seine Seite gesellte, ein junger Masaaii, kaum älter als Nabuu. Er erklärte ihm, dass die anderen Soldaten eigentlich ganz in Ordnung seien, dass sie aber gewohnt wären, nur mit ihresgleichen zu reden. Dann erzählte er, dass er der Enkel des Kommandanten sei, dass er das Gardistenleben hasste und er lieber Land bewirtschaften wolle.
    Als Nabuu ihm von den Maelwoorms berichtete, mit denen sie in Kilmalie Ackerbau betrieben, war Rönee Feuer und Flamme. Er fragte Nabuu Löcher in den Bauch und beschloss nach wenigen Stunden, nach Kilmalie zu gehen.
    Der Kommandant war nicht sonderlich begeistert von den neuen Ideen seines Enkels. Er versuchte ihn von Nabuu fernzuhalten, indem er ihn mit sinnlosen Beschäftigungen überhäufte: Ölen der Schalter und Hebel aus Chrom, Wandschränke aus- und wieder einräumen; sogar die Fenster der Roziere musste der arme Rönee putzen. Aber der quirlige junge Mann biss die Zähne zusammen, verkniff sich jede Widerrede und erledigte die Arbeiten schnell und präzise. Danach war er sofort wieder an Nabuus Seite. Schließlich verbot ihm der Kommandant, mit Nabuu zu sprechen. Aber das störte die jungen Leute nicht: Sie verständigten sich mit Gebärden und Handzeichen.
    Die Erinnerung daran trieb ein Grinsen in Nabuus Gesicht. Das Grinsen wurde zu einem Lachen, als er Rönee auf der Felsplatte entdeckte, die wie eine Zunge aus dem Rand des Berges ragte. »Hast du nichts zu tun? Musst du nicht irgendwelche Steine putzen?«, rief er ihm zu.
    »Schweig er wohl stille und bedenke er, dass er nur ein Woorm ist, wenn er der Stadt des Kaisers ansichtig wird!«, imitierte Rönee seinen Großvater.
    Nabuu lachte. Aber tatsächlich verschlug es ihm die Sprache, als er die Wolkenstadt erblickte. Er lief an seinem Freund vorbei
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