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Vorstadtkrokodile

Vorstadtkrokodile

Titel: Vorstadtkrokodile
Autoren: M von der Grün
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fürchten mussten, von Besuchern des Waldfestes gesehen zu werden. Sie kehrten wieder um.
    Die Italienerkinder waren verschwunden.
    Die drei Einbrecher hatten es nun eilig, den Keller zu leeren. Fluchend rannten sie hin und her. Etwa eine halbe
Stunde ging das noch. Kein Krokodiler wagte sich aus seinem Versteck.
    »Ganz schön blöd sind wir, dass wir da hocken bleiben und uns vor Angst in die Hose machen«, sagte Kurt.
    »Was sollen wir sonst machen?«, fragte Olaf.
    »Sollten wir vielleicht zur Polizei gehen und die drei anzeigen?« Und leise fügte er hinzu, dass es Kurt und Maria hören konnten: »Jetzt, wo Franks Bruder dabei ist.«
    Willi kaute aufgeregt an seinen Fingernägeln.
    »Darf er deswegen einbrechen, nur weil er Franks Bruder ist?«, antwortete ihm Maria. »Denk doch mal, es sind Fremde, ganz Fremde, die wir nicht kennen, was wäre dann?«
    »Es sind aber keine Fremden«, sagte Kurt, »es ist Franks Bruder. Entweder wir müssen alle anzeigen, also auch Egon, oder gar keinen.«
    »Eine schöne Scheiße ist das«, sagte Olaf mutlos.
    Die Krokodiler hockten herum wie ein Häufchen Elend. Keiner hatte eine Idee.
    Und während sie so dasaßen, vor sich hin dösten und nicht wussten, was sie machen sollten, rollte sich Kurt, ohne dass es einer bemerkte, aus der Hütte in den Hof. Draußen wartete Kurt erst ein paar Sekunden, um sich an das grelle Sonnenlicht zu gewöhnen. Er war sich überhaupt nicht im Klaren darüber, was er eigentlich wollte. Er hatte es ganz einfach nicht mehr im Haus ausgehalten.
    Die Krokodiler bemerkten Kurts Verschwinden erst, als er sich schon langsam, an den beiden großen Rädern schiebend, über den Hof rollte.

    Sie waren starr vor Schreck. Maria wollte ihn zurückrufen, hielt sich aber die Hand vor den Mund. Alle standen nur da und sahen auf den Hof und warteten, denn irgendwas musste jetzt passieren.
    »Der Kurt ist verrückt«, sagte Frank, der aus seiner Niedergeschlagenheit aufgewacht war.
    Und da sahen sie Egon aus dem leeren Flur treten, hinter ihm Karli, jeder wieder mit einem vollen Karton in beiden Händen. Egon blieb wie angewurzelt stehen. Er stieß Karli an, auch der dritte Mann trat aus dem dunklen Flur auf den Hof.
    Kurt war etwa zwanzig Meter von den anderen entfernt. Auch er hielt seinen Rollstuhl an, auch er wusste nicht, was jetzt zu tun war. Er war hilflos. Er konnte nicht einmal, wenn es darauf ankam, weglaufen.
    Egon setzte langsam den Karton zwischen seine Füße. Auch er war so verblüfft über Kurts Auftauchen, dass er vergaß, seinen Mund zu schließen.
    Langsam, mit hängenden Armen, schlurfte er auf Kurt zu. Die beiden anderen folgten ihm.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, griff Kurt neben sich und nahm den Bogen, der an seinem Griff des Rollstuhls hing. Er nahm einen Pfeil und legte ihn ein. Er zog die Sehne des Bogens etwas an und rief Egon zu: »Wenn du näher kommst, dann schieß ich dir den Pfeil in den Bauch. Da sind Eisenspitzen dran.«
    Egon war von der unerwarteten Entschlossenheit Kurts so überrascht, dass er tatsächlich stehen blieb und ihn nur ansah wie eine Erscheinung.

    Dann sagte Egon: »Da schau an, der Krüppel aus der Silberstraße.« Und dann schrie er: »Hau ab! Zieh Leine! Sonst passiert was!«
    Karli war neben Egon getreten, der Dritte stand hinter ihnen. Alle drei starrten Kurt an. Auf ihren Gesichtern war zu lesen, dass sie überlegten, was sie mit Kurt machen sollten. Sie standen jetzt etwa zehn Meter von Kurt entfernt. Der hielt seinen Bogen mit dem eingelegten Pfeil fest und zog manchmal die Sehne etwas an, als wollte er den Pfeil jeden Augenblick abschießen.
    »Hau endlich ab, du Krüppel!«, rief Egon. »Sonst passiert was mit dir.«
    Kurt war den Tränen nahe. Er rief zurück: »Wenn du noch einmal Krüppel zu mir sagst, dann schieße ich dir den Pfeil in den Bauch, du Einbrecher!«
    »Wer ist denn eigentlich der Gartenzwerg?«, fragte der Dritte, den Kurt nicht kannte, belustigt.
    »Ach, das ist der Krüppel aus der Nachbarschaft«, antwortete Egon.
    Da spannte Kurt den Bogen, schoss und traf Egon in den Oberschenkel.
    Der Pfeil blieb stecken.
    Egon schrie vor Schmerzen wie ein Tier. Er wollte sich auf Kurt stürzen, hielt inne und tanzte auf der Stelle mit angezogenem Bein. Er jammerte und versuchte den Pfeil aus dem Bein zu ziehen, aber wenn er einen Versuch machte, schrie er noch lauter vor Schmerzen.
    Kurt hatte sofort wieder einen Pfeil in den Bogen gelegt. Er war entschlossen, jetzt, wo er sich allein
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