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Vorsaison

Vorsaison

Titel: Vorsaison
Autoren: Kristine Weitzels
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bedienen konnte und mir mein Wilma-Flintstone-Outfit erstens
zu schade und zweitens auch viel zu gewagt erschien, ging ein Teil meines
Geldes nun für eine neue Garderobe drauf. Kurz vor Weihnachten verabredete ich
mich deshalb mit Babs und Sonja und wir fuhren gemeinsam zum Shoppen nach
Düsseldorf. Dabei erfuhr ich auch, dass Babs zurzeit eine Lehre als Verkäuferin
machte und all ihr Geld zu Hause abgeben musste. Nur das Geld für den Bus und
das Nötigste, was Babs für Kosmetika brauchte, durfte sie behalten. An den
Wochenenden gab sie deshalb vor, als Babysitterin zu arbeiten. Hätte ihr Vater
gewusst, dass sie sich in Wirklichkeit in Discotheken herumtrieb, hätte er sie
wahrscheinlich auf der Stelle erschlagen. Babs erzählte dies alles jedoch so,
als handele es sich dabei um etwas sehr Lustiges. Sie berichtete, wie sie sich abends
immer auf den Weg zum angeblichen Babysitten machte und sich dann in einer
öffentlichen Toilette am Bahnhof umzog und schminkte. Sonja fragte, ob das denn
nicht gefährlich sei, doch Babs winkte ab. Für sie war es die ideale Lösung und
so fragten ihre Eltern auch nicht, wo sie denn gewesen wäre, wenn sie erst in
den frühen Morgenstunden heim kam. Ihr Vater habe sie nun sogar vom Kirchdienst
befreit, prustete Babs und schüttelte sich vor Lachen, sodass ihre kurzen
blonden Haare flogen. Babs kaufte an diesem Tag das meiste von uns. Doch weder
Sonja noch ich fragten uns anschließend, woher Babs denn all das Geld gehabt
haben konnte, zumal sie doch selbst erzählt hatte, dass sie ihr
Lehrmädchengehalt zu Hause abliefern musste.
     
    Dann erfuhr Babs davon, dass ich im
Januar eine Woche nach Spanien fuhr und wollte unbedingt mitkommen. Sie war
noch nie im Ausland gewesen und Spanien wurde für sie zur fixen Idee.   Babs
besaß sogar einen Reisepass, den sie sich scheinbar aus einer Laune heraus
hatte ausstellen lassen. Sie bettelte und flehte, ich solle sie doch mitnehmen.
Kurzfristig Urlaub zu bekommen sei kein Problem, behauptete sie und was ihre
Eltern anging, so würde ihr schon noch eine Ausrede einfallen. Babs tat mir leid
und ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie sie sich fühlen musste — trotz
ihrer immer so unbekümmert und fröhlich wirkenden Art. Auch ich hatte einen
gewalttätigen (Stief)Vater erlebt und wusste was es heißt, ständig unterdrückt
zu werden und auf der Hut zu sein. Also rief ich erneut abends im „Hollywood“
an und fragte Ernie, ob es OK sei, wenn ich im Januar noch eine Freundin
mitbrächte.
    >>Aber natürlich<<, rief
Ernie hocherfreut und sagte, er zähle die Tage, bis zu unserer Ankunft. Platz
im Europabus gab es auch noch und so bestieg ich an einem kalten Freitagmittag,
im Januar 1984, zusammen mit Babs den Bus nach Lloret de Mar.

Kapitel III: Sieben Nächte.
     
    Was für ein Unterschied zum Sommer!
Die meisten Hotels, Restaurants, Geschäfte und Discotheken waren geschlossen
und regelrecht verbarrikadiert. Die engen Einkaufsstraßen, die ich noch voller
Menschen in Erinnerung hatte, waren wie ausgestorben. Lloret de Mar glich einer
Geisterstadt! Ernie hatte uns wie versprochen am Busterminal in Lloret abgeholt
und beschwerte sich auch nicht, weil er fast zwei Stunden hatte warten müssen.
Der Bus hatte nämlich Verspätung gehabt, weil wir an der Grenze zwischen
Deutschland und Frankreich in eine große Zollkontrolle geraten waren. Ernie
besaß zwar kein Auto, erklärte sich aber gerne bereit, uns beim Tragen des Gepäcks
behilflich zu sein. Auf dem Weg durch die Stadt bemerkte ich dann sogleich die
krassen Unterschiede zum Sommer. Babs fiel ebenfalls auf, dass Lloret irgendwie
unbewohnt aussah und nach dem fünften oder sechsten Gebäude, dessen Fenster und
Eingänge entweder mit Holz verbarrikadiert oder durch große, heruntergelassene
Rollläden geschützt waren, fragte sie: >>Und hier geht also nachts die
Post ab?<<
    Ernie lachte und antwortete, dass nun
eben Winter sei — kein Vergleich zum Sommer. Es war Nachmittag und wir liefen
durch eine der beiden Haupteinkaufsstraßen. Die Siesta , die tägliche
Mittagspause, welche von 13.00 bis 17.00 Uhr dauerte, war gerade vorbei. Mir
fiel auch auf, dass dort nun nur zwei der insgesamt sieben oder acht „Uncle
Sam“ Boutiquen geöffnet hatten.
    >>Keine Bange<<, sagte
Ernie daraufhin. >>Ihr werdet beide noch auf eure Kosten kommen! In
Lloret ist immer was los, man muss nur wissen wo. Außerdem ist heute Samstag
und da geht eh die Post ab!<<
     
    Da Samstag war, musste Ernie raus
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