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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche
Autoren: Alan Bradley
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grinsen. Was für ein großes Lob aus dem Mund des Mannes, der mich bei unserer ersten Begegnung weggeschickt hatte, um Tee zu holen.
    »Sehr freundlich von Ihnen«, gab ich zurück, in der Hoffnung, den Augenblick noch in die Länge zu ziehen.
    »Allerdings«, erwiderte er. »Ich bin tatsächlich ein freundlicher Mensch, weil ich festgestellt habe, dass man mit Unfreundlichkeit und Verbitterung nicht weit kommt.«
    »Geht mir genauso«, pflichtete ich ihm bei, ohne recht zu wissen, was ich damit meinte. Trotzdem kam es mir wie eine intelligente Antwort vor.
    »Na dann, vielen Dank, Flavia.« Der Inspektor stand auf. »Deine Überlegungen waren sehr aufschlussreich.«
    »Ich freue mich immer, wenn ich behilflich sein kann«, erwiderte ich unbescheiden.
    »Allerdings … bin ich bereits zu den gleichen Ergebnissen gekommen«, fügte er hinzu.
    Wie bitte? Meine Freude verflog. Zu den gleichen Ergebnissen gekommen? Was bildete er sich eigentlich ein?
    »Fingerabdrücke?«, fragte ich unterkühlt.
    Sie mussten die Fingerabdrücke der Mörder am Tatort gefunden haben.
    »Mitnichten«, antwortete er. »Es war der Knoten. Miss Wyvern wurde mit einem zugeknoteten Filmstreifen erwürgt. Nach ihrem Tod hat jemand die Enden zur Schleife gebunden. Wir glauben, dass hier zwei verschiedene Personen am Werk waren, die eine Linkshänder, die andere Rechtshänder. Der erste Knoten – der zu ihrem Tod führte – war eher ungebräuchlich: ein Palstek oder Leibknoten, wie er oft von Seeleuten und nur selten von anderen Menschen benutzt wird. Sergeant Graves war an den Tätowierungen aufgefallen, dass Val Lampman womöglich eine Zeit lang bei der Königlichen Marine gedient hat, eine Annahme, die sich inzwischen bestätigt hat.«
    Die Tätowierungen waren mir auch aufgefallen, aber ich hatte keine Zeit gehabt, diese Spur weiterzuverfolgen.
    »Selbstverständlich!«, sagte ich. »Der zweite Knoten war reine Dekoration! Marion Trodd muss ihn, nachdem sie die Tote umgezogen hatte, sozusagen als Krönung ihres Werks angebracht haben.«
    Der Inspektor klappte sein Notizbuch zu.
    »Floristen benutzen einen Knoten namens ›Durance‹, um eine Schleife auf einem Blumenschmuck zu befestigen. Ein rein dekorativer Knoten, wie du ganz richtig sagst. Dieser Knoten war das Markenzeichen von Marion Trodd alias Norma Durance. Diese Verbindung ist mir allerdings erst jetzt aufgefallen, nachdem du mir freundlicherweise das fehlende Bindeglied geliefert hast.«
    Trompetengeschmetter, Maestro, aber bitte reichlich! Wenn’s geht, etwas von Händel! Die »Feuerwerksmusik«? Ja, das würde sehr schön passen.
    »Bereit zu sterben«, sagte ich mit einem Anflug von Dramatik in der Stimme.
    »Bereit zu sterben.« Inspektor Hewitt lächelte.
    »Glauben Sie«, erkundigte ich mich, »dass Miss Trodd, bevor sie die Schauspielerin Norma Durance wurde, in einem Blumenladen gearbeitet hat?«
    »Das würde mich nicht wundern. Wie es aussieht, sind du und ich auf ganz unterschiedlichen Wegen ans gleiche Ziel gelangt.«
    War das wieder eins seiner zweischneidigen Komplimente? Ich war mir nicht sicher, deshalb reagierte ich vorsichtshalber mit einem dümmlichen Lächeln.
    Flavia, die Sphinx, dachte er jetzt vermutlich. Die unergründliche Flavia de Luce. Oder etwas in der Art.
    »Ruh dich lieber noch ein bisschen aus«, sagte der Inspektor und ging zur Tür. »Ich möchte nicht, dass Dr. Darby mir die Schuld an deiner übergebührlichen Genesungsdauer gibt.«
    Was war er doch für ein netter Mann, dieser Inspektor! »Übergebührliche Genesungsdauer«, also wirklich! So etwas konnte einfach nur von ihm kommen. Kein Wunder, dass seine Frau Antigone wie ein Suchscheinwerfer strahlte, wenn er an ihrer Seite stand. Wobei mir einfiel …
    »Inspektor Hewitt – bevor Sie gehen, möchte ich noch …«
    Er schnitt mir das Wort ab.
    »Nicht nötig«, sagte er und wedelte vieldeutig mit der Hand. »Beziehungsweise völlig überflüssig.«
    Heiliges Kanonenrohr! Wollte er mich um meine Entschuldigung bringen? Aber noch ehe ich protestieren konnte, fuhr er fort:
    »Übrigens soll ich dir von Antigone zu deinem spektakulären Feuerwerk gratulieren. Sie hat mir berichtet, dass deine kleine Vorführung bis nach Hinley zu sehen war – mal abgesehen davon, dass du wahrscheinlich gegen jede einzelne Klausel der Sprengstoffverordnungen von 1875 und 1923 verstoßen hast, worüber wir beide uns noch unterhalten werden, sobald wir unseren örtlichen Polizeipräsidenten mit viel
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