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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands
Autoren: Jules Verne
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Geschützen Feuer zu geben.
    Auf jede Gefahr hin erhebe ich mich aus dem Versteck… ich starre voller Spannung hinaus… erwarte, ohne sie verhindern zu können, eine zweite Katastrophe.
    Das Schiff, das zusehends größer erscheint, ist ein Kreuzer von ähnlichem Tonnengehalt wie der erste. Keine Flagge weht an seiner Gaffel und ich kann nicht erkennen, welcher Nationalität er angehört. Offenbar schürt er seine Feuer doppelt, um die gefährdete Zone hinter sich zu lassen, ehe neue Höllenmaschinen gegen ihn geschleudert werden können. Wie könnte er aber deren zerstörender Wirkung entgehen, da sie ihn auch noch von rückwärts her treffen können?…
    Thomas Roch hat sich nach der zweiten Lafette begeben, als das Schiff grade über die Stelle hinglitt, an der es, dem ersten folgend, verschlungen werden sollte.
    Nichts stört die Ruhe der Atmosphäre, obgleich von der See her dann und wann ein Windhauch kommt.
    Plötzlich erschallt Trommelwirbel an Bord des Kreuzers… man hört Hornsignale anschlagen; ihre metallne Stimme dringt bis zu mir…
    Ich erkenne ihn, diesen Hörnerklang… den französischen Hörnerklang! Gerechter Gott! Es ist ein Schiff meines Vaterlands, das die andern überholt hat und das ein französischer Erfinder zu vernichten sich anschickt!…
    Nein, das darf nicht sein! Ich werde mich auf Thomas Roch stürzen… werde ihm zurufen, daß dieses Schiff ein französisches ist… Er hat es nicht erkannt… wird es nicht erkennen…
    In diesem Augenblick erhebt Thomas Roch auf ein Zeichen des Ingenieur Serkö schon die Hand, in der er das Glasgefäß hält…
    Jetzt erklingen die Hörner noch lauter… das ist die Begrüßung der Flagge. Ein Flaggentuch breitet sich im Winde aus… die dreifarbige Flagge, deren Blau, Weiß und Roth sich leuchtend vom Himmel abhebt.
    Ah, was geht da vor?… Ich verstehe… beim Erblicken der vaterländischen Flagge packt es Thomas Roch wie mit zaubrischer Gewalt. Sein Arm sinkt nach und nach ebenso herab, wie die Flagge langsamemporsteigt, dann wankt er zurück… bedeckt sich die Augen, als wollte er ihnen die Farben der dreifarbigen Flagge verbergen. –
    Allmächtiger Gott! Es ist also doch nicht alle Vaterlandsliebe in diesem verwundeten Herzen erstorben, es schlägt ja noch höher beim Anblick der Flagge seines Heimatlandes!…
    Meine Erregung ist nicht geringer als die seine. Auf die Gefahr hin, gesehen zu werden – doch was thut das jetzt? – krieche ich längs der Felsen hin. Ich will dort sein, um Thomas Roch zu unterstützen, ihn verhindern, schwach zu werden. Und sollt’ ich es mit dem Leben bezahlen, ich muß ihn zum letzten Mal beschwören… beschwören im Namen seines Vaterlands! Ich werde ihm zurufen:
    »Franzose, es ist die dreifarbige Flagge, die von diesem Schiffe weht!… Franzose, ein Stück von Frankreich ist’s, das dort herankommt!… Franzose, wirst Du sündhaft genug sein, es zu vernichten?…«
    Mein Dazwischentreten scheint aber unnöthig zu werden. Thomas Roch verfällt jetzt nicht mehr in jene Krisen, die ihn früher übermannten. Er bleibt Herr seiner selbst!
    Und als er sich der Flagge gegenüber sah, da traf es ihn wie eine Erleuchtung… da wich er zurück.
    Einige der Piraten eilen herbei, um ihn wieder nach der Lafette zu führen.
    Er stößt sie zurück… er wehrt sich…
    Ker Karraje und der Ingenieur Serkö laufen auf ihn zu, sie weisen ihn auf das schnell herankommende Schiff hin… befehlen ihm, seine Wurfgeschosse hinauszuschleudern…
    Thomas Roch schlägt es ab.
    Der Kapitän Spade und die Uebrigen bedrohen ihn schäumend vor Wuth, sie schimpfen… schlagen auf ihn los… sie wollen ihm das Fläschchen entreißen.
    Thomas Roch schleudert es zu Boden und zertritt es unter seiner Ferse.
    Da erfaßt die Elenden das Entsetzen!… Der Kreuzer ist über die Vordergrenze der Zone hinausgekommen; sie können auf die Geschosse, die es jetzt gegen das Eiland hagelt, nicht antworten… polternd stürzen schon abgesprengte Felsstücke herunter…
    Doch wo ist Thomas Roch?… Hat ihn eins der Geschosse getroffen?… Nein… ich sehe ihn zum letzten Male, wie er der Mündung des Ganges zueilt…
    Ker Karraje, der Ingenieur Serkö und die Uebrigen folgen ihm, um Schutz im Innern von Back-Cup zu suchen.
    Ich selbst mag um keinen Preis in die Höhle zurückkehren und sollte ich auch auf der Stelle getödtet werden! Ich stecke meine letzten Aufzeichnungen zu mir, und wenn die französischen Marinesoldaten an der Felsenspitze landen,
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