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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo
Autoren: Stone
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sehr gut, wenn nicht gar liebevoll umsorgt – kein Vergleich mit all den anderen Entführungsopfern, die Max je gefunden und befreit hatte.
    Max ging in die Hocke und stellte sich dem Jungen vor. Verwirrt und hilfesuchend blickte Charlie zu Huxley hoch, der hinter Max stand. Huxley ging ebenfalls in die Hocke und sprach auf Französisch mit dem Jungen – zweimal hörte Max seinen Namen –, dann wuschelte er ihm durchs Haar, hob ihn hoch und wirbelte ihn durch die Luft. Charlies Augen leuchteten auf, und er lachte, aber er gab kein Wort von sich. Sprache war sein Medium nicht.
    Nachdem Huxley ihn wieder abgesetzt hatte, brachte Charlie sein zerzaustes Haar wieder in Ordnung, bis es ganz genauso aussah wie zuvor. Dann machte er sich wieder daran, die Dosenringe aufzuziehen, indem er immer einen aus einem kleinen Haufen auf dem Fußboden auswählte und auf die Kette zog, an der er gerade arbeitete. Max ignorierte er vollkommen. Er tat so, als wäre er gar nicht mehr im Raum.
    Huxley ging aus dem Zimmer, um mit Carl und Ertha zu reden, die im Türrahmen stehen geblieben waren. Er legte ihnen beiden einen Arm um die Schultern und führte sie außer Hörweite.
    Max trat in den Flur, um sie zu beobachten. Ertha hatte sich weggedreht, sie stand mit dem Gesicht zur Wand vor einem Schwarzweißfoto von Priestern in schwarzen Soutanen, von denen einer vermutlich der junge Carl war. Sie biss sich auf die Hand, um ihre Tränen zu unterdrücken.
    Carl zog Huxley von ihr weg zur Haustür und redete ihm leise ins Ohr, dabei ließ er Ertha nicht aus den Augen, die sich mittlerweile an der Wand abstützen musste.
    Huxley kam zurück zu Max und sprach flüsternd mit ihm.
    »Carl meint, wir sollen Charlie am besten jetzt gleich mitnehmen, solange es noch geht. Je länger wir bleiben, umso schwerer wird es Ertha fallen, ihn gehen zu lassen.«
    Huxley ging ins Zimmer und nahm Charlie so unvermittelt vom Fußboden hoch, dass der Junge seine Kette fallen ließ. Die Dosenringe rutschten vom Schnürsenkel und prasselten auf den Boden. Charlie lief hochrot an, und er sah auf einmal sehr wütend aus, als er aus dem Zimmer getragen wurde. Er gab tiefe, klagende Laute von sich, als wollte er die Hilfeschreie eines gefangenen, verwundeten Tieres nachahmen.
    Charlies Gesichtsausdruck wechselte von Wut zu Verwirrung, als er an Ertha und Carl vorbeigetragen wurde, die jetzt wieder beieinander standen. Ertha hatte den Kopf an Carls Schulter vergraben und klammerte sich an ihm fest, die Arme um seinen schmalen Körper gewickelt. Sie wollte nicht sehen, was da geschah. Auch Carl sah Charlie nicht an, er streichelte Ertha am Hinterkopf. Noch nie hatte Max zwei so tieftraurige, niedergeschmetterte Menschen gesehen.
    Charlie streckte die Arme nach den beiden aus, als Huxley ihn zur Tür hinaustrug. Er öffnete den Mund, und sein Blick schoss in wilder Panik und Entsetzen zwischen Max und Carl und Ertha hin und her. Max machte sich innerlich auf das berüchtigte Geschrei des Jungen gefasst, doch es kam nicht. Stattdessen fing Charlie an zu heulen wie alle anderen kleinen Kinder auch, laut und hysterisch, aber nicht anders als ein normales Kind.
    Sie gingen aus dem Haus, und Max zog die Tür hinter sich zu. Sie war kaum ins Schloss gefallen, als Ertha ihrer Trauer freien Lauf ließ. Und schon das Wenige, das er von ihrem Schmerz zu hören bekam, traf ihn so tief ins Mark, dass er sich für einen kurzen Augenblick fragte, was um alles in der Welt er sich dabei dachte, den Jungen von hier wegzuholen; aus einer gesunden Umgebung, von diesen herzensguten, liebevollen Menschen, um ihn an den Rand einer Abwasserkloake zu seinem Vater, einem Drogenbaron, zu bringen.
    Max öffnete die Wagentür und bat Huxley, den Jungen auf den Rücksitz zu setzen.
    Huxley tat, wie ihm geheißen, und warf die Tür zu.
    »Und jetzt?«
    Max hielt ihm die Hand hin. Huxley schüttelte sie.
    »Halten Sie sich von den Straßen fern«, sagte Max. »Vincent Paul kann nicht allzu weit sein.«
    »Danke, Max«, sagte Huxley.
    »Dann Adieu, Shawn … oder Boris … oder wie auch immer.«
    »Passen Sie auf sich auf, Max Mingus«, sagte Huxley, als er vom Wagen weg in die Dunkelheit trat, die ihn schon bald verschluckt hatte.
    Max stieg in den Wagen, ließ den Motor an und fuhr ohne einen Blick zurück den Berg hinunter.
    Er bog auf die Hauptstraße ein und fuhr davon.
    Er wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis Vincent Paul ihm auf der Straße entgegenkam.
    Keine fünf Minuten später
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