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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig
Autoren: Theodor Fontane
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bethanischen Freundes Pastor Schultz gehört hatte. Beide paßten eigentlich vorzüglich zusammen, waren aber, der eine wie der andere, sehr harte Steine: Fournier ganz Genferischer, Schultz ganz Wittenbergischer Papst. Und so räumte denn Genf, klug und vornehm wie immer, das Feld.
    Auf dem Tisch hin standen natürlich auch Blumen; aber was mir noch lieber war, auch schon bloß um des Anblicks willen, das waren die Menschen, die die Tafel entlang saßen. Ich bin sehr für hübsche Gesichter, und fast alle waren hübsch, darunter viele südfranzösische Rasseköpfe. Doch verblieb der schließliche Sieg, wie das zum 16. Oktober auch paßte, dem Deutschtum. Unter den Gästen waren nämlich auch Eggers und Heyse, deren Profile für Ideale galten und dafür auch gelten durften.
    Schultz brachte sehr reizend den Toast auf das Brautpaar aus, und was das Reizendste für mich war, war, daß ein Bräutigam nicht zu antworten braucht. Ich beschränkte mich auf Kuß und Händedruck und aß ruhig und ausgiebig weiter, was, wie ich gern glaube, einen ziemlich prosaischen Eindruck gemacht haben soll. Als mir Schultz eine Weile schmunzelnd zugesehen hatte, sagte er zu meiner Frau: »Liebe Emilie, wenn
der
so fortfährt, so wird seine Verpflegung Ihnen allerhand Schwierigkeiten machen.«
    Diese Schwierigkeiten waren denn auch bald da: schon nach anderthalb Monaten flog meine ganze wirtschaftliche Grundlage, das »Literarische Bureau«, in die Luft.
    Ich hatte, wie schon angedeutet, geglaubt, im Hafen zu sein, und war nun wieder auf stürmischer See.
     
Fußnoten
     
    1 Alle diese vorstehend erzählten Geschichten der »Sieben Hippelschen« aus der Mitte der vierziger Jahre verdanke ich meinem seit nun fast zwanzig Jahren verstorbenen Freunde
Heinrich Beta,
auf den ich noch in Kürze zurückkomme. Wenn einzelnes nicht ganz stimmen sollte – ich persönlich glaube, daß im wesentlichen alles wahr ist –, so findet sich vielleicht wer, der die Fehler richtigstellt. Allerdings existiert wohl nur
einer
noch, der dazu fähig ist:
Ludwig Pietsch.
Und diesen einen möcht' ich bei der Gelegenheit nicht bloß zu Richtigstellungen, sondern vor allem auch zu Mitteilungen über die »Sieben« überhaupt dringendst aufgefordert haben. Denn Berlin hat kaum jemals – natürlich den
einen
Großen abgerechnet, der um jene Zeit noch die Elbe-Deiche revidierte – interessantere Leute gesehn als diese »Sieben«.
     
    2 In einem Büchelchen, das mir, während mir das im Text Gesagte schon im Korrekturbogen vorlag, von New York her zuging, bin ich, und zwar von einem Frankfurter achtundvierziger Parlamentsmitglied – Hugo Wesendonck – herrührend, einer andern, sehr interessanten und weitaus anerkennenderen Schilderung
Robert Blums
begegnet. Es heißt da: »Alles in allem halte ich auch jetzt noch
Blum für den besten
Mann des damaligen deutschen Parlaments.
Ein Sokrates von Gesicht und Gestalt; aber breiter, stämmiger, mit hervortretenden Schultern und gewölbter Brust. Er hatte viel studiert und war von umfangreichem Wissen, namentlich in der Geschichte. Dazu besaß er eine klassische Ruhe und sprach nach einem festen und durchdachten Plan. Sein Organ war ein vollkommener Bariton, seine Haltung eine ernste, nie leichtfertig. Er war überall geachtet, und ich möchte hinzufügen: gefürchtet; die Frauen aber verehrten ihn trotz seiner Häßlichkeit. Als geborener Amerikaner hätte er es weit bringen können. Aus
solchem Stoffe macht man Präsidenten.
Lincoln war häßlicher, und Cleveland ist nicht viel hübscher. Wäre das Unmögliche damals in Deutschland möglich gewesen, es hätte sich nur um Blum oder Gagern handeln können.
Aber Blum hätte gesiegt,
denn er war der beste Ausdruck des liberalen, meinetwegen kleindeutschen Bürgertums.« So Wesendonck. Möglich ist alles. Aber nach dem Eindruck, den ich meinerseits von Blum empfangen habe, hätte er zu einem »Präsidenten von Deutschland«
nicht
ausgereicht, auch achtundvierzig nicht. Es hätte dazu der Reaktion nicht bedurft, er wäre schon am Professorentum gescheitert.
     
    3 Ich möchte zur Vermeidung von Mißverständnissen an dieser Stelle noch anfügen dürfen, daß alles Spöttische, was ich hier gegen die Freiheitsphrasendichtung jener Zeit ausgesprochen habe, sich wohl gegen uns Herweghianer von damals, aber
nicht
gegen Herwegh selbst richtet. Ich will nicht bestreiten, daß auch das, was Herwegh in Person geschrieben hat, vielfach an Phrase leidet, aber es ist durch eine ganz
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